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Einmal Swahili, bitte

  • Autorenbild: Vensch
    Vensch
  • 4. Juni 2023
  • 4 Min. Lesezeit

Ein persönlich angehauchtes Sprachprofil


Der geneigte Leser wird sich fragen: Warum Swahili? Worauf die offensichtliche Antwort lautet: Warum nicht!

Vor kurzem befiel mich der Gedanke, es sei mal wieder an der Zeit, eine neue Sprache zu lernen. So alle zwei Jahre packt es mich und auch wenn man besser daran täte bereits angefangene Sprachen zu vertiefen oder zu verbessern, ist der Reiz des Neuen nicht zu unterschätzen. Bisher fehlte mir in meinem Portfolio noch eine indigen afrikanische Sprache und ich hatte mein Auge bereits vor Jahren auf Swahili geworfen. Das Glück war meiner Sache hold und ich bekam einen Platz im Fachkurs der Afrikanistik. Dieser verspricht - wer kann es glauben - dem willigen Padawan in einem Semester mehr beibringen zu wollen als hallo, danke und ich habe einen Hund.*


Verbreitung

Swahili ist die meistgesprochene indigene Sprache im subsaharischen Afrika. Es ist Amtssprache in Tansania, Kenia, Uganda und Ruanda, wird aber auch in der Demokratischen Republik Kongo und Mosambik gesprochen. Als gängige Verkehrssprache ist es an der gesamten Ostküste Afrikas vom Horn bis runter zum Kap zu finden. Schätzungsweise 100 Millionen Menschen sprechen es, wovon gerade mal 5-10 Millionen Muttersprachler sind und etwa 30 Millionen Zweitsprachler. Die Zahl der Erstsprecher wächst stetig im Zuge offizieller Bemühungen, Swahili als nationsstiftenden Kitt zwischen den verschiedenen Ethnien weiter zu etablieren.


Allgemeines

Es handelt sich um eine Bantusprache (ein in Afrika weit verbreiteter Sprachstamm) mit einem hohen Anteil arabischer Lehnwörter (man liest Schätzungen zwischen 15 und 60 %**). Auch viele moderne englische Begriffe haben es in die Sprache geschafft, zum Beispiel kompyuta, stesheni ya treni (train station), und fleti (flat = Wohnung). Hier und da sind auch deutsche Lehnwörter zu finden, wie zum Beispiel shule.


Geschichte

Vor der europäischen Kolonialherrschaft wurde Swahili mit arabischer Schrift geschrieben, wie auch die gesamte Sprache stark durch Kontakt mit und Beherrschung durch die arabische Kultur geprägt ist. Die systematische Erschließung des Kiswahili (Ki = Vorsilbe für Sprache) geschah erstmals im 19. Jahrhundert durch deutsche Missionare. Sie setzten den Grundstein für den späteren Einsatz der Sprache als Verwaltungssprache für die Kolonialregierung. Durch letztere entwickelte sich die gängige Handelssprache zu einer nationsstiftenden, gemeinsamen Sprache. Das heutige Standard-Swahili, der Dialekt der Insel Sansibar, wird staatlich gefördert und verbreitet sich somit zunehmend weiter.


Schrift und Aussprache

Das benutzte Alphabet ist heute dankenswerterweise das lateinische und die Orthographie weitgehend phonematisch (= man schreibt wie man spricht). Es gibt keine ungewohnten Konsonanten, nur aufrichtige und ehrliche Vokale (a, e, i, o, u) und keine Diphtonge (= zwei Vokale in einer einzigen Silbe, wie z.B. im Wort Deutsch). Die Betonung liegt immer auf der vorletzten Silbe. Silben sind immer offen, sie können mit einem Konsonanten beginnen oder enden (Beispiel für eine geschlossene Silbe im Deutschen wäre Deutsch = Konsonant - Vokal - Konsonant). Nasale (m, n) können eine eigene Silbe bilden: mtu = Person (gesprochen m-tu).


Grammatikalische Besonderheiten

Das Angenehme vorne weg: Es gibt keine Fälle und kein grammatikalisches Geschlecht (kein der, die, das, dem, der, dem etc.). Weiterhin gibt es fast keine „kleinen” Wörter, also keine Artikel (das erwähnte Der-die-das) und kaum Präpositionen (in, auf, am, bei), obwohl Ortsbestimmungen im Detail auch nicht völlig simpel sind. Die wenigen existierenden Wörter haben mehrere Funktionen. Das kleine Wörtchen “na” kann zum Beispiel und heißen (wie in du und ich) oder mit (wie in ich gehe mit dir) oder auch von (wie in das Buch wird von ihm gelesen).

Nun zu den ungewohnten Aspekten: (Fast) alles passiert vorne. Singular und Plural funktionieren über Vorsilben: mtu = Person, watu = Personen. Welche Vorsilben das sind, ist abhängig von der Nominalklasse des Wortes. Diese sind die Crux und der Endgegner der Sprache. Wie viele es letztlich genau sind, hängt von der jeweils konsultierten Grammatik ab, (es ist wohl eine Zahl im Raum 9-22, je nachdem, ob man Singular und Plural einzeln zählt). Die Nominalklassen wirken sich auf Adjektive, Zahlen und sogar Verben aus. Dabei sind sie kategorienorientiert: Lebewesen beginnen üblicherweise in der Einzahl mit m- und in der Mehrzahl mit wa- (Mjerumani mzuri = der/ein gute/r Deutsche/r, Wajerumani wazuri = die guten Deutschen, Ujerumani = Deutschland).

Auch die Verben haben es in sich. Swahili ist agglutinierend (= alles wird irgendwo drangeklatscht), die Verben bestehen aus einer Wurzel und einer angenehm hohen Anzahl an Affixen (Vielen Prefixen (Vorsilben) und ein paar Suffixen (Nachsilben)). Dadurch können Verben sehr lang werden, da sie Informationen über Sprecher, Zeit, Tätigkeit und Objekt der Handlung enthalten können. Die Reihenfolge ist für Europäer etwas ungewöhnlich, dem Arabischen aber relativ nah. Hier ein paar Beispiele:

  • Ninapenda = ich liebe

  • Unapenda = du liebst

  • Anapenda = er/sie liebt

  • Nilipenda = ich liebte

  • Nitapenda = ich werde lieben

  • Sipendi = Ich liebe nicht

  • Sikupenda = ich liebte nicht

  • Ninakupenda = Ich liebe dich

  • Sitakupenda = Ich werde dich nicht lieben

  • Kujiburudisha = Sich amüsieren

  • Hatukujiburudishaje? = Wie amüsierten wir uns nicht?

Verortung in meinem persönlichen Sprachranking

Nutzerfreundliche Lautung und Schrift machen es dem willigen Lerner recht bequem, unbekannte Wörter zu lernen. Wer bereits ein bisschen Arabisch kann, ist schwer im Vorteil. Nach einer Einführung in das Alphabet kann Gehörtes einigermaßen treffsicher geschrieben werden (das kann ich auf Französisch bis heute nicht, von Russisch kann man solches nicht erwarten, von semitischen Schriftsystemen wie dem Arabischen oder Hebräischen schon gleich überhaupt nicht und von Chinesisch wollen wir gar nicht erst anfangen). Die Aussprache ist für europäische Zungen absolut machbar, es wird (fast) nichts routinemäßig wegreduziert, die Betonung ist völlig regelmäßig und simpel (damit ist es offiziell das Gegenteil von Russisch). Die Grammatik ist gut lernbar, zwar im Detail ein bisschen komplex, aber logisch und regelmäßig.

Somit insgesamt leichter als Russisch und alle außereuropäischen Sprachen, an denen ich mich bisher versucht habe. Einziges Problem könnte die Zugänglichkeit zu guter Lektüre für ein niedriges bis mittleres Sprachniveau sein. Zu meinem Entsetzen musste ich feststellen, dass Harry Potter nicht nach Swahili übersetzt wurde.***


* Das kann man so einfach natürlich nicht verallgemeinern, manchmal ist es auch eine Katze. Letzteres war eine satirisch zugespitzte Übertreibung. Oft lernt man auch noch wie geht es dir, tschüss und eine Kulturspezifische Vokabel wie zum Beispiel rote Beete.

**Ärgerlicherweise wird oft nicht klar herausgestellt, ob es dabei um den Anteil am Gesamtvokabular oder um den Anteil unter den Lehnwörtern geht.

***Dafür aber nach Färöisch, Westfriesisch und Altgriechisch, na vielen Dank.



Comments


Kommentare (6)

Guest
May 15, 2024

Die kleinen Taschen und die Bekleidung für alte Puppen, einfach nur schön.

Leider bin ich völlig untalentiert für solche Sachen😔

Liebe Grüße

Petra

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Guest
Apr 19, 2024

Kleidung für Püppi. Von deinen Nähkünsten bin ich total begeistert und es ist so schön beschrieben, dass das Lesen echt Spaß macht. Liebe Grüße Brigitte

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Guest
Apr 07, 2024

Sehr schön zu sehen wie viel Spaß (und Zeit) du zum Nähen hast!

Es gibt an der Nähmaschine einen speziellen Stich für dehnbare Stoffe. Mit dem dürfte der Faden nicht reißen!

Für große Köpfe gibt es spezielle Tricks - einfach mal nachschauen wie das bei den Shirts für Babys gemacht wird!


Liebe Grüße

Miriam



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Guest
Feb 12, 2024

Always insightful. Good work. 😀

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Guest
Oct 21, 2023

Es regnet, endlich Zeit, die Beiträge zu lesen und nicht nur wahrzunehmen. Macht Freude, das zu lesen und obwohl ich das Buch und die Videos nicht kenne, kann ich mir eine Menge vorstellen! Biene

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Guest
Jul 30, 2023

Sehr schön geschrieben!

Liebe Grüße

Christina

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