Sprachprofil Arabisch
- Vensch
- 28. Apr. 2024
- 5 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 5. Mai 2024

Nachdem ich vor einigen Jahren ägyptisches Arabisch an der Uni gelernt habe, habe ich im Frühjahr an einem Intensivkurs Arabisch für Einsteiger am Landesspracheninstitut in Bochum teilgenommen.* Ein toller Kurs, der wirklich intensiv ist, kann ich sehr empfehlen. Dem Uninitiierten stellt sich hier die Frage: Arabisch ist nicht gleich Arabisch? Leider nein.**
Allgemeines
„Arabisch” ist die Muttersprache von ca. 300 Millionen Menschen weltweit,*** die offizielle Amtssprache in 22 Ländern, eine der sechs offiziellen UNO-Sprachen und als Sprache des Koran für fast 1.5 Milliarden Muslime weltweit von Bedeutung. Damit gilt es als die fünfthäufigste gesprochene Sprache der Welt. Die sprachliche Einheit besteht hier aber eher politisch als praktisch. Generell kann man unterteilen in Klassisches Arabisch, Modernes Standardarabisch (MSA) und die regionalen Dialekte.
Klassisches Arabisch ist die Sprache des Korans und der Literatur und das, was in
arabischsprachigen Ländern in der Schule im Arabischunterricht gelehrt wird. Dieses unterscheidet sich jedoch in seinem Vokabular und seinen strikteren grammatikalischen Regeln vom Modernen Standardarabisch. MSA ist die Sprache der Medien in der gesamten arabischen Welt, sowohl für Printmedien als auch für Nachrichtensendungen. Auf ihr findet auch formelle Korrespondenz statt und in ihr wird moderne Literatur geschrieben. Sie ist die Kommunikationsbasis für Sprecher aus verschiedenen arabischen Ländern, die zuerst ihren lokalen Dialekt sprechen. Dabei kann man grob einteilen in den Maghreb (Marokko, Algerien, Tunesien, Mauretanien), Ägypten (und Sudan), Levantinisch oder Schami (Syrien, Jordanien, Libanon und Palästina) und den Golfdialekt (arabische Halbinsel plus Irak). Diese gesprochene Form der Alltagskommunikation findet man auch in Fernsehserien, im Radio, in Liedern und in privater Korrespondenz. Die Vielfalt der Dialekte führt dazu, dass es für sehr alltägliche Begriffe oft mehrere verschiedene Worte gibt. Verschiedene Dialektsprecher verstehen sich nur dann einigermaßen gut, wenn sie in geographischer Nähe zueinander leben. Ägyptisch oder Levantinisch wird von den meisten Arabern verstanden, weil es zum einen recht nah am Standardarabischen ist, und zum anderen, weil die Medien aus dieser Region besonders beliebt sind.
Dieses Sprachkontinuum ist ein mittelschwerer Fluch für jeden Lernwilligen, der oft gar nicht weiß, wo er anfangen soll. Realistisch findet die Kommunikation zwischen verschiedenen Dialektsprechern oder mit Ausländern häufig irgendwo zwischen Dialekt und Hochsprache statt. Üblicherweise lernt man für Kommunikationszwecke erst Modernes Standardarabisch und dann den jeweiligen Dialekt der Zielregion. Dass ich zuerst Dialekt gelernt habe, war Zufall und ist eher unüblich. Für einen alltäglichen Gebrauch wäre der Dialekt des Ziellandes ausreichend, aber bei anspruchsvolleren Themen wie Politik, Weltgeschehen oder Literatur stößt man schnell an seine Grenzen.
Ein paar Tücken
Es wäre unmöglich, hier kurz und zugänglich eine Übersicht über die Besonderheiten des Arabischen zu bieten, daher stelle ich nur anekdotenhaft ein paar charakteristische Merkmale und Tücken für Lerner vor.
Die Schrift
Arabisch wird von rechts nach links geschrieben,*** wobei innerhalb der Wörter die Buchstaben üblicherweise verbunden werden. Das führt dazu, dass es für die 28 Buchstaben jeweils bis zu vier Formen gibt: isoliert, links verbunden, rechts verbunden und am Ende.
Als Beispiel der Buchstabe n (ن) in seinen vier Formen:
ن، نا، عند، من

Klein- und Großschreibung gibt es nicht, aber Leerzeichen zwischen den Wörtern. Zwar ist es eine erste Herausforderung, dass die meisten Buchstaben im Arabischen sich nur durch die Anzahl der Punkte oben oder unten unterscheiden, das Hauptproblem ist aber, dass die Hälfte fehlt. Kurze Vokale werden nicht geschrieben, und alle drei Vokale a ا, u و , iى können je nach Wort auch Konsonanten sein (respektive Hamza*****, w, y). Zwar kann man die fehlenden Vokale, die grammatikalisch von großer Bedeutung sind, durch Vokalzeichen abbilden, dies ist aber außerhalb von Lehrwerken und religiösen Schriften nicht üblich.
Der Ausdruck für Alphabet mit Vokalzeichen: الْحُرُوف الْعَرَبِيَّة
Der Ausdruck für Alphabet ohne Vokalzeichen اكحروف اكعربية
Was die Zahlen betrifft, so werden in der arabischen Welt indische Zahlen verwendet (0-9: ٠١٢٣٤٥٦٧٨٩), damit man, wenn man schon keine Wörter lesen kann, auch nicht weiß, wie viel davon.
Emphatische Buchstaben und sehr viele Kehllaute
Arabisch ist vom Klang her leicht zu erkennen durch seine (man möchte sagen übertrieben) hohe Anzahl an Kehllauten.
Dieser Blumenstrauß an Kehllauten umfasst: ein (auch im Deutschen vorhandenes) Rachen-R غ als Gegenstück zum gerollten r ر, ein ch خ wie in Bach, aber auch ein h ح hinten im Hals, ein k ك vorne und ein k ق ganz weit hinten und das ʿAin ع, das ein bisschen klingt, als würde man würgen. Dieses ع ist ein Konsonant, den man am Anfang gar nicht als solchen wahrnimmt, mit ihm beginnen zum Beispiel Namen wie عAli oder عAischa. Es wird oft mit einem a transkribiert, wie in dem Namen Sanaa (eigentlich Sanعa). Außerdem gibt es ein paar unterschiedliche th-Laute (ذ wie in this oder ث wie in think, das erste ist stimmhaft, das zweite stimmlos, wird im Englischen aber gleich geschrieben).
Als wäre das nicht genug, gibt es einige Buchstaben, die fast den gleichen Laut abbilden, aber in emphatisierter Form existieren, also zum Beispiel ein „normales” t ت und ein t ط, bei dem die Zunge an die Zähne stößt und die folgenden Vokale dunkel macht.
Grammatik und das Wurzelsystem
Im Arabischen spielt die Musik bei den Konsonanten. Es gibt Bedeutungscluster aus (meistens) 3 Buchstaben, die in der gleichen Reihenfolge mit verschiedenen Vokalmustern und mit oder ohne Vor- und Nachsilben vorkommen. Zum Beispiel hat die Buchstabenkombination kك tت bب die grobe Bedeutung „schreiben”. Daraus abgeleitet ergeben sich Wörter wie kataba = er schrieb, kitaab = Buch, maktaba = Büro, maktab = Schreibtisch und kaatib = Autor.
Für den Lerner recht ungewohnt ist auch, dass die Wurzel des Wortes nicht ein konkreter Bestandteil ist, der erhalten bleibt, sondern dass es nur auf die Konsonanten ankommt. Die Vokale können lustig springen oder sonst wohin verschwinden. So sind viele Plurale „gebrochen”, wie zum Beispiel bei dem Wort für Freund, die Einzahl ist sadik, die Mehrzahl asdika.
Damit nicht genug, eröffnen Prä- und Suffixe die Möglichkeit für sehr lange Wörter, für die man im Deutschen mehrere Wörter bräuchte. Zum Beispiel:
Li-asdikahum - für ihre Freunde
Yuhubbuha - er liebt sie
Fazit
Arabisch ist nicht leicht, aber es lohnt sich. Die Kehllaute sind hauptsächlich Gewöhnungssache und die Struktur sehr logisch. Zwar ist die Schrift ein kleiner Albtraum, aber immerhin gibt es ein (wenn auch unvollständiges) Alphabet. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass Arabischsprecher sich immer sehr freuen, wenn man nur einige wenige Worte kann. Das Gespräch geht sofort auf einer ganz anderen Ebene weiter.
* Die vom Institut entwickelten Kursmaterialien lassen sich die eine oder andere Grönemeyer-Anspielung nicht nehmen.
** Hört noch jemand in seinem Kopf bei diesem Satz den Dennis von 1LIVE sagen „leider nein, leider gar nicht.”?
*** Man liest unterschiedliches: Das LSI-Lehrbuch spricht von 350 Millionen, meine Einführung in die Arabische Sprache von 235 Millionen
**** Technisch ist es eine mittelschwere Katastrophe, Textbausteine zu integrieren, die unterschiedliche Laufrichtungen haben. Das führt im Verlauf des folgenden Textes zu ein paar unfreiwilligen Layoutentscheidungen. Arabisch in Klammern geht dabei immer von rechts nach links, auch bei Aufzählungen.
***** Hamza oder Glottisschlag (auf Alif oder isoliert ء, أ) ist ein Laut, den es im Deutschen gibt, der aber nicht geschrieben wird. Es ist die kleine Pause zwischen den e’s bei be-enden. Im Deutschen muss man die Wörter kennen, um zu wissen, dass es verءeinsamt im Verءeinsءamt ist.
Quellen:
Ikhlas Schumacher, Einführung in die arabische Schrift, Hamburg 2018
Arabisch Intensiv Grundstufe, Landesspracheninstitut in der Ruhr-Universität Bochum, 2017
Bildnachweis:
Von Calligrapher: Muzaffar 'Ali (?) - Kalligraphie-Fragment ist unter der digitalen ID ascs.103 in der Afrika & Nahost Abteilung der US-amerikanischen Library of Congress abrufbar.Diese Markierung zeigt nicht den Urheberrechtsstatus des zugehörigen Werks an. Es ist in jedem Falle zusätzlich eine normale Lizenzvorlage erforderlich. Siehe Commons:Lizenzen für weitere Informationen., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4174255
Die kleinen Taschen und die Bekleidung für alte Puppen, einfach nur schön.
Leider bin ich völlig untalentiert für solche Sachen😔
Liebe Grüße
Petra
Kleidung für Püppi. Von deinen Nähkünsten bin ich total begeistert und es ist so schön beschrieben, dass das Lesen echt Spaß macht. Liebe Grüße Brigitte
Sehr schön zu sehen wie viel Spaß (und Zeit) du zum Nähen hast!
Es gibt an der Nähmaschine einen speziellen Stich für dehnbare Stoffe. Mit dem dürfte der Faden nicht reißen!
Für große Köpfe gibt es spezielle Tricks - einfach mal nachschauen wie das bei den Shirts für Babys gemacht wird!
Liebe Grüße
Miriam
Always insightful. Good work. 😀
Es regnet, endlich Zeit, die Beiträge zu lesen und nicht nur wahrzunehmen. Macht Freude, das zu lesen und obwohl ich das Buch und die Videos nicht kenne, kann ich mir eine Menge vorstellen! Biene
Sehr schön geschrieben!
Liebe Grüße
Christina