Miramar

Ägypten zum Anfassen

Dieses Buch leitet eine kleine Themenreihe zum arabischen Kulturraum ein. Passend zum März quasi ein arabischer Frühling.*

Miramar

Nagib Machfus

Ersterscheinungsjahr 1967

Aus dem Arabischen von Wiebke Walther

239 Seiten

7/10

In der Pension Miramar treffen sich diverse Gestalten, denen die Umbrüche in Ägyptens Gesellschaft zugesetzt haben. Die Achse, um die sich alles dreht, ist aber das schöne Zimmermädchen Zuchra, das in der Stadt Zuflucht vor einer Zwangsheirat sucht. Wir lesen die Geschichte aus der Perspektive ihrer unterschiedlichen Verehrer, da ist von kompletter Selbstsucht bis zu wohlmeinendem Nihilismus alles dabei. Außerdem sind wir noch einem ungeklärten Todesfall auf der Spur. 

Das Buch ist ein bisschen deprimierend, da es die Stimmung im revolutionsgebeutelten,  gebrochenen Ägypten der 50er Jahre einfängt Dem zentraleuropäischen Leser fällt zudem auf: In dieser Gesellschaft läuft das Zwischenmenschliche etwas anders. Da wird gespuckt, geflucht und geprügelt, wenn zwei Männer sich um eine Frau streiten, wenn Männer sich mit Frauen streiten und wenn Frauen sich untereinander streiten. Die Männer streifen zudem scheinbar alle wild durch die Gegend, während sich die Frauen aufteilen in Anständige und Prostituierte - also welche zum Heiraten und welche zum Zeit vertreiben.

Der Autor Nagib Machfus hat seinen Literaturnobelpreis meiner Meinung nach völlig zu Recht bekommen. Sein bekanntestes Werk ist die epische Kairo-Trilogie, durch die ich mich stellenweise ein bisschen gequält habe, die sich aber zu lesen lohnt. Dort wie hier fehlt es dem kulturell Uninitiierten stellenweise an Kontext, der sich gut durch ein paar erklärende Fußnoten herstellen ließe. Dies wäre eine tolle Alternative zum bei Verlagen so beliebten, alles-vorwegnehmenden Vorwort, das eine der Bürden darstellt, die das Leben mir auferlegt hat.

* Zu früh?