Jahrmarkt der Eitelkeiten
- Vensch
- 23. Juni 2024
- 2 Min. Lesezeit
Bissige Satire und vielschichtige Charakterprofile

Vanity Fair (Jahrmarkt der Eitelkeiten)
William Makepeace Thackeray
Ersterscheinungsjahr 1847
Hörbuch etwa 32 Stunden (ca. 600 Seiten)
Großartig Gelesen von Georgina Sutton
8/10
Die Geschichte
Der Erzähler verfolgt das Leben von Amelia Sedley und Rebecca Sharp, die 1814 ihr gemeinsames Internat verlassen, um als junge Frauen in der Schicht der Noblesse ihren Weg zu gehen. Während die gutmütige, naive Amelia recht gut situiert und unsterblich in ihren seit Kindheit vorbestimmten Verlobten verliebt ist, sucht die mittellose Becky eine vorteilhafte Partie, mit der sie ihre Intelligenz und Gerissenheit voll zur Geltung bringen kann. Dabei bekommen wir einige Einblicke in das Leben der britischen Oberschicht im frühen 19. Jahrhundert. Thackeray schreibt detailreich, spannend und humorvoll, wenn er auch zeitweise in bissigste Satire abdriftet. Zwar hält er sich an die Konditionen seiner Zeit und benennt unsittliches Verhalten nie direkt beim Namen, bietet dem Leser aber trotzdem ein eindrückliches Tableau an Verruchtheit und Laster. Wer nur Austen gewohnt ist, bekommt hier ein deutlich unromantischeres Bild der englischen Oberschicht.
Das Buch ist recht lang, aber nie langweilig. Die Charaktere sind eindrücklich abgerundet und wirken stets echt und zum Anfassen. Manchmal sind die Allüren der Leute schwer zu ertragen. Die Jahrmarkt-Metapher wird für meinen Geschmack ein oder zwei Mal zu oft als wiederkehrendes Stilmittel benutzt. Mit etwas Abstand kann ich sagen, dass dieses eins der Bücher ist, die beim Lesen schon Spaß machen, über die man aber im Nachgang noch sehr lange nachdenken kann. Eine zweite Lektüre würde sich sicher lohnen.
Eine kleine Ehrennennung gibt es für die Einleitung der Wordsworth Classics Ausgabe. Sie ist sehr kurz und nimmt fast nichts vorweg. Ein Nachwort mit ein bisschen Analyse und historischem Kontext wäre trotzdem toll gewesen.
Ein kleines Nebenvergnügen
Thackeray gibt seinen Aristokraten absichtlich möglichst lächerliche Namen. In England treffen wir auf Lord Binkey, Lord Heehaw, Sir Huddleston-Fuddleston und Lady Sheepshanks, und später auf die deutsche Adligen in der Grafschaft Pumpernickel: Lady Butterbrot, Frau Potztausend und Graf Schlippen-Schloppen; sowie die beiden Sängerinnen Madame Strumpf und Madame Schnurrbart. Zudem haben die Namen oft eine übertragende Bedeutung, zum Beispiel der Marquis von Steyne (gleichklingend wie Stain = Fleck), oder die Familie Crawley, die versucht, um jeden Preis ihre soziale Stellung aufzubessern (to crawl = kriechen). Einiges davon geht im Hörbuch verloren, da man die abgewandelte Schreibweise nicht hört. Wer es ein bisschen genauer wissen will, kann sich diesen kurzen englischen Artikel dazu durchlesen:
K. C. PHILLIPPS: THACKERAY'S PROPER NAMES, in: Neuphilologische Mitteilungen, Vol. 75, No. 3 (1974), S. 444-452, https://www.jstor.org/stable/43342923?seq=3
Zum Hörbuch
Georgina Sutton liest absolut fabelhaft. Sie gibt allen Charakteren eine eigene Stimme, bringt den subtilen schwarzen Humor großartig heraus und liest formidabel Stimmen jeglichen Geschlechts. Noch nie habe ich so komplett vergessen, dass eine Frau spricht, während sie mit der Stimme männlicher Charaktere spricht.
Die kleinen Taschen und die Bekleidung für alte Puppen, einfach nur schön.
Leider bin ich völlig untalentiert für solche Sachen😔
Liebe Grüße
Petra
Kleidung für Püppi. Von deinen Nähkünsten bin ich total begeistert und es ist so schön beschrieben, dass das Lesen echt Spaß macht. Liebe Grüße Brigitte
Sehr schön zu sehen wie viel Spaß (und Zeit) du zum Nähen hast!
Es gibt an der Nähmaschine einen speziellen Stich für dehnbare Stoffe. Mit dem dürfte der Faden nicht reißen!
Für große Köpfe gibt es spezielle Tricks - einfach mal nachschauen wie das bei den Shirts für Babys gemacht wird!
Liebe Grüße
Miriam
Always insightful. Good work. 😀
Es regnet, endlich Zeit, die Beiträge zu lesen und nicht nur wahrzunehmen. Macht Freude, das zu lesen und obwohl ich das Buch und die Videos nicht kenne, kann ich mir eine Menge vorstellen! Biene
Sehr schön geschrieben!
Liebe Grüße
Christina