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Die Kunst des Nähens - Teil 4

  • Autorenbild: Vensch
    Vensch
  • 31. Dez. 2023
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 2. Jan. 2024

Unter- und Oberwäsche für die Dame


Eine kleine Leggings

Ich wollte Püppi schnell noch eine Leggings nähen, damit sie in ihrem Rock an den Beinen nicht friert (ich denke nicht, dass ich da etwas projiziere). Dazu habe ich von einer meiner kaputten Leggings ein Bein abgeschnitten und alle bestehenden Nähte gemopst. Also den Saum unten und eine Seitennaht. Dann musste ich nur einmal zwischen den Beinen entlangnähen und oben einen Abschluss einnähen, ausnahmsweise eine Sache von 30 Minuten. Der Bund hätte noch ein bisschen höher sein können, man vertut sich wirklich, wenn man versucht, dreidimensionale Formen im Kopf auf zwei Dimensionen zu übertragen. Auch ist die Naht oben sehr schief, was gar nicht auffallen würde, wenn ich nicht zu faul gewesen wäre, das Garn in der Nähmaschine von weiß auf schwarz zu wechseln. Jedenfalls hat es recht gut funktioniert, auch wenn ich damals noch nicht wusste, was ein elastischer Stich ist und welche Probleme ich mit dem Rest der abgeschnittenen Leggings bekommen würde …*


Mal eben ein Tanktop nähen …

Das arme Kind hatte außerdem kein Unterhemd, ein unhaltbarer Zustand. Man sollte meinen, ein Tanktop wäre nicht sonderlich kompliziert. Ich besah mir eins der meinigen und stellte fest, dass die Armausschnitte mit einem ganz dünnen Band abgenäht sind. Das wollte ich mir sparen. Ich versuchte, mein Top zu skalieren, stellte aber schnell fest, dass das ausgeschnittene Muster völlig falsche (nichteuklidische?) Winkel enthielt. Daher das bewährte Zewa-Anhalten und Abmalen. Dann winzig kleine Nähte zurechtfriemeln und lediglich den Stoff nach innen klappen und da festnähen, damit es von außen ordentlich aussieht. Drei Stunden später gab es ein kleines Tanktop, das von außen und von Weitem okay aussieht und von innen ganz furchtbar. Weil die Größenverhältnisse der Puppe so verzerrt sind, passt das Hemd mehr schlecht als recht über den riesigen Kopf, aber es geht, wenn man beide Augen fest zumacht und beherzt in eine andere Richtung schaut.


Ein Mantel für die Dame

Ich frage euch: Was ist die Welt ohne ein bisschen Ehrgeiz? Püppi sollte einen Mantel bekommen, aus den Resten des schönen Polsterstoffes und mit einem Innenfutter aus - könnt ihr es erraten? - gelber Pseudoseide. Dieses Mal sollte das Objekt aus mehreren Teilen bestehen, mindestens dreien. Ich nahm das Muster für die Weste, optimierte es ein wenig und verlängerte es zu einem etwa knöchellangen, leicht ausgestellten Mantel. Wie viel da ausgestellt sein würde, würde ich dann erst im Ergebnis sehen. Das hätte man zwar entweder berechnen oder mit einem Prototypen testen können, aber yolo. Dementsprechend wenig ausgestellt ist es dann auch geworden. Für den Mantel habe ich nach moderner Machart (ui, klingt das hochtrabend) zunächst Innenfutter und Außenstoff auf links zusammengenäht, damit beim Umdrehen ein ordentliches Kleidungsstück mit innenliegender Naht entsteht. Allerdings habe ich den kompletten Ärmel- und Schulterbereich ausgelassen, damit ich das später mit Hand zusammenfriemeln konnte. Für die Ärmel habe ich mir

abends, so kurz vorm Einschlafen, lange theoretisch den Kopf zerbrochen, wie ich sie in zwei Schritten nähen und wenden muss. Das Konstrukt ist aber, wie der Kommunismus, an der Realität gescheitert. Daher Naht wieder auf und nochmal. Mehrere Schritte beim Nähen im Voraus zu planen ist höhere Geometrie und geistig sehr fordernd. Ähnlich wie beim Schach, wo man mehrere Züge im Voraus planen sollte, wenn man gut sein will. Dankenswerterweise kann man beim Nähen besser pfuschen. Im Zweifelsfall näht man einmal und guckt. Der Kragen ist eigentlich okay geworden, für einen ersten Kragen. Am Ende brauchte es noch ein paar verspielte Details, ein Reffband hinten, eine Tasche und eine doppelte Reihe Knöpfe vorne. Wäre ich nicht zu faul gewesen, die Markierung der Knöpfe im angezogenen Zustand vorzunehmen, wären sie sogar gerade geworden.


Eine lächerlich kleine Jeans

Seit Püppi ihren schicken Rock hat, denke ich, dass sie eigentlich auch eine praktische Hose bräuchte. Freundlicherweise spendete mir jemand die abgeschnittenen Beine einer Jeans. Eines Sonntags morgens kurz darauf fand ich mich auf meinem Fußboden wieder, mit einer meiner Jeans, einem Maßband, einem Zettel und ein paar Buntstiften. In etwa anderthalb Stunden klamüserte ich mir eine Skizze zurecht, in der ich die verschiedenen Teile der Jeans bunt einzeichnete. Dann Skalierung - immer ein Albtraum. Muster, Zewa-Test**, Stoff ausschneiden. Ich mopste eine Seitennaht und den Saum der Originalhose, um Zeit und Nerven zu sparen. Dann Zusammenbau mit Stecknadeln, um eine Nähreihenfolge auszumachen. Natürlich Taschen. Einigermaßen ruhige Fahrt bis zum Bund. Durch einen Abnäher hinten wurde die vorerst recht großzügige Hose genau zu klein. Ein paar Tage abregen, kalkulieren, meditieren, Abnäher wieder raus, neuer Bund. Jetzt ist die Hose halt großzügig, aber so trage ich meine Hosen auch gerne. Eigentlich sollte es ja auch noch einen Gürtel geben, und vielleicht passiert das auch noch, falls es mir gelingen sollte, 3 Millimeter große Gürtelschlaufen zu machen.

* Dramatisches Audio bitte. Mehr dazu in Teil 5.

** Zewa-Test = ein Modell aus Zewa basteln, um die ungefähren Proportionen abzuschätzen.


Fortsetzung folgt.


コメント


Kommentare (6)

Guest
May 15, 2024

Die kleinen Taschen und die Bekleidung für alte Puppen, einfach nur schön.

Leider bin ich völlig untalentiert für solche Sachen😔

Liebe Grüße

Petra

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Guest
Apr 19, 2024

Kleidung für Püppi. Von deinen Nähkünsten bin ich total begeistert und es ist so schön beschrieben, dass das Lesen echt Spaß macht. Liebe Grüße Brigitte

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Guest
Apr 07, 2024

Sehr schön zu sehen wie viel Spaß (und Zeit) du zum Nähen hast!

Es gibt an der Nähmaschine einen speziellen Stich für dehnbare Stoffe. Mit dem dürfte der Faden nicht reißen!

Für große Köpfe gibt es spezielle Tricks - einfach mal nachschauen wie das bei den Shirts für Babys gemacht wird!


Liebe Grüße

Miriam



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Guest
Feb 12, 2024

Always insightful. Good work. 😀

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Guest
Oct 21, 2023

Es regnet, endlich Zeit, die Beiträge zu lesen und nicht nur wahrzunehmen. Macht Freude, das zu lesen und obwohl ich das Buch und die Videos nicht kenne, kann ich mir eine Menge vorstellen! Biene

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Guest
Jul 30, 2023

Sehr schön geschrieben!

Liebe Grüße

Christina

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