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Der Herr der Ringe

  • Autorenbild: Vensch
    Vensch
  • 21. Aug. 2020
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 31. Jan. 2023

Eine Re-Lektüre

Die freien Völker Mittelerdes werden bedrängt durch den bösen Herrscher Sauron. Ihre einzige Hoffnung liegt darin, dessen größte Waffe, die sich in ihren Händen befindet, zu zerstören. Die Gefährten machen sich auf den Weg ins Ungewisse zwischen allerlei finsteren Machenschaften, politischen Intrigen und taktischen Kriegszügen.


Die Gefährten

Die zwei Türme

Die Rückkehr des Königs


8/10


Episch.





Ich habe vor kurzem zum fünften Mal die Herr der Ringe Trilogie gelesen und habe sie auch mit dem Abstand einer knappen Dekade immer noch als gut befunden.

Tatsächlich hatte ich befürchtet, meine jugendliche Begeisterung mit zunehmender Leseerfahrung enttäuscht zu finden, aber Tolkiens Umgang mit Sprache und der Tiefgang der Welt, die er geschaffen hat, haben mich aufs neue gepackt (wenn vielleicht auch nicht vergleichbar mit der Intensität, die ich beim ersten Lesen im Teenager-Alter empfunden habe).


Obwohl vermutlich fast jeder die Filme gesehen hat (die ich seinerzeit mochte und lange für die einzig annehmbare Buchverfilmung gehalten habe, nur um sie vor kurzem als völlig unzulänglich zu empfinden) und den meisten die Geschichte bekannt sein dürfte, folgt hier zunächst ein makroperspektivischer, spoilerfreier Teil. Unten werde ich dann nach Warnung auf ein paar (spoilergefüllte) Details eingehen.



Womit Tolkien hervorsticht, ist die Tiefe seines Werkes. Die Welt, die er geschaffen hat, hat eine weitreichende Vergangenheit und kulturelle Vielfalt, wie man sie selten findet. Dadurch wirkt der Kontinent Mittelerde so realistisch, wie eine Welt voller Orks und Elben nur sein kann. Zudem lässt sie dem echten Liebhaber die Chance, sich bis an den Rest seines Lebens mit Zusatzmaterial zu beschäftigen. Es handelt sich um die Antithese der billigen Fantasy-Literatur, in der Fremdheit durch sporadisch eingeworfene, erfundene Pflanzennamen suggeriert wird (à la "er stand unter dem Hurigaga-Baum und rief seinen tarkelianischen Falken").

Weiterhin punktet Tolkien mit seiner Sprache, die allerdings nicht jedermanns Sache sein muss. Ich würde persönlich immer empfehlen, die Trilogie - wenn möglich - im Original zu lesen, was jedoch ein recht gutes Verständnis der englischen Sprache und einige ihrer archaischen Ausläufer voraussetzt. Man kann die Geschichte natürlich auch auf deutsch lesen, allerdings sind mir beim jüngsten Überfliegen einzelner Textstellen direkt Unsauberkeiten in der deutschen Übersetzung aufgefallen, die mich auf Dauer ärgern würden. So wird etwa an einer Stelle "hall", (gemeint ist Eingangsflur), mit Halle übersetzt. Ein bisschen groß für ein Hobbithaus, würde ich sagen. Das ist vielleicht ein etwas erbsenzählerisches Beispiel, ich habe aber auch nur zwei Seiten gelesen. Allerdings sind die neueren Auflagen angeblich durchkorrigiert und absolut in Ordnung. Möglich wäre auch eine spanische Lektüre, denn auf Spanisch klingt alles epischer (ich habe dir Trilogie einmal zu Übungszwecken auf Spanisch gelesen, El senor de Los anillos, das macht doch Laune!). Aber um bei der Sache zu bleiben, Tolkiens Sprache ist gelungen, immer wieder wunderschön und häufig gänsehautauslösend. Man muss aber auch zugeben, dass Tolkien nicht immer treffsicher zwischen wichtigen und unwichtigen Details unterscheiden kann, vor allem, wenn es um Landschaft geht. Wer in diesem Buch nicht ein paar Pflanzennamen lernt, der hat während der Lektüre geschlafen.

Ich persönlich mag Landschaftsbeschreibungen, so lange die Landschaft ansprechend ist. Karge Bergschluchten dagegen interessieren mich weniger. Tolkien ist da deutlich präferenzfreier, man muss zuweilen ein bisschen Durchhaltevermögen beweisen. Auch ist die Sprache teilweise etwas abgehoben und erinnert an Sagen und Erzählungen (denen die Geschichte nachgebildet ist), es werden immer wieder Gedichte und Lieder vorgetragen. Mir persönlich gefällt das. Realistische Dialoge sollte man nicht erwarten, aber das ist bei einer mittelalterlichen Fantasy-Welt mit Hobbits, Zauberern und ähnlichem sowieso verfehlt.

Bis hierhin also eine Empfehlung!



AB HIER SPOILER


Nun zum Spoiler-Teil. Hier werde ich nur ein paar ausgesuchte Aspekte aufgreifen (schließlich gibt es ganze Vorlesungsreihen, die Tolkiens Werk bis aufs Letzte auseinanderpflücken).


Besonders gut gefallen haben mir die Rohirrim, ich war immer ein großer Fan von Eowyn, der Schildmaid von Rohan. Tolkien hat überraschend feinfühlig die Lage dieser starken Frau beschrieben, die durch Pflicht und Umstände an den heimischen Herd gekettet ist und sich entschließt, mit einem Todeswunsch in den Krieg zu ziehen.

Genauso großartig ist Faramir, der Erbe des Truchsesses (tolles Wort) von Gondor. Frodo dagegen muss man nicht wirklich mögen, eigentlich ist Sam der wirkliche Held der Geschichte.

Jedenfalls stimmungsvoll sind die Berichte der Belagerung von Gondor, aber auch die Reise der Hobbits durch Ithilien. Recht missraten dagegen ist leider die Zerstörung Isengards. Ich liebe die Ents und ihre bedächtigeArt, deshalb mag ich das Kapitel über Fangorn. Aber warum haben wir der Zerstörung Isengards nicht beigewohnt, sondern müssen uns das Geschehen hinterher, wenn wir bereits wissen, wie es ausgegangen ist, von zwei schmauchenden Hobbits erzählen lassen?


Meiner Meinung nach ist das Hauptproblem des Buches seine Taktung. Die Geschichte beginnt mäandernd, kinderbuchartig in der Erzählweise des Hobbits. Wir lernen das Auenland und seine Bewohner kennen. Die Funktion ist klar - es handelt sich um eine Gegenüberstellung zur großen, gefährlichen Welt, in die die Protagonisten entlassen werden und gleichzeitig den Grund dafür, warum es gilt, sich dem Bösen entgegen zu stellen. Ich persönlich mag die unschuldigen Erzählungen. Um hier Stellung zu beziehen, ich habe Tom Bombadil immer gemocht. Die Figur ist ein Beispiel dafür, dass Tolkiens Welt älter ist, als wir uns vorstellen können und dass dort so einiges geschieht, was wir nicht verstehen und auch nicht verstehen müssen oder können. Aber man muss schon zugeben, dass das erste Buch erst nach 200 Seiten wirklich beginnt, eine lange Durststrecke, wenn man mit epischen Schlachten und weltbewegenden Vorgängen rechnet.

Genauso stellt sich das Ende dar, wo nach epischsten Geschehnissen noch um die 100 Seiten von Nebenschauplätzen berichtet wird. Auch dort versteht der Leser, dass sich die Eroberung des Auenlandes als notwendige Folge des Ringkrieges darstellt - unsere Helden sind erwachsen geworden und können nun selbst ihre Schlachten schlagen. Dass aber Gandalf scheinbar mit dem Einwurf des Ringes in den Schicksalsberg und dem gleichzeitigen Ende des dritten Zeitalters ausgestempelt hat und nun alles als außerhalb seiner Zuständigkeit ansieht, erscheint dem Leser doch eher piefig als erhaben. Da hätte er auf dem monatelangen, lustwandelnden Heimweg der Hobbits zumindest mal auf die Zustände in deren Heimat hinweisen können. Aber nein, nicht nur lässt man Saruman ungestraft davonkommen, man lässt ihm auch noch die Zeit, sich als degenerierter, völlig unbedeutender Herrscher über das Auenland aufzuspielen. Ein antiklimaktisches Ende für den größten Weisen seiner Zeit, der einst die Geschicke der Welt in den Händen hielt. Somit ist das Ende des Buches etwas unorganisch geraten. Gut dagegen finde ich, dass Frodo am Ende übers Meer gehen muss, um seine Erlebnisse zu ertragen. Das zeigt, dass für das Schicksal der Welt Opfer gebracht werden müssen, ein Ende kann nie für alle glücklich sein.


Als erwachsener Mensch ist mir zum ersten Mal aufgefallen, dass das Buch von einer objektiv erspürbaren Wahrheit ausgeht: der Ring ist böse und muss zerstört werden, jeder, der ein guter Mensch ist, muss das verstehen. Boromir, der daran zweifelt, wird durchgehend als unsympathisch dargestellt. Wäre es doch immer so einfach. Andererseits gibt es ja in Mittelerde auch kein Internet, vielleicht überlegt man sich dann genauer, was man in seine uralten Aufzeichnungen schreibt.


Und jetzt mal unter uns, was ist mit Galadriel und Celeborn los? Was ist das für eine Ehe, in der man scheinbar nicht miteinander spricht und sich dann vor Gästen gegenseitig mit Wissen über das Schicksal der Welt übertrumpft? Leider nimmt es dem Aufenthalt in Lothlorien einen guten Teil seiner Schönheit, dass Galadriel ihren Mann scheinbar gerne auflaufen lässt, um ihn dann zu korrigieren. Und auch das letzte Festmahl auf dem Schwanenboot ist bei kritischer Betrachtung weniger episch gehoben, als eine eitle Inszenierung (Wer lässt denn jemanden bereits aufbrechen, nur um ihn dann an der Grundstücksgrenze noch einmal zum Essen einzuladen? Wenn ich losgehen, will ich auch los, also wirklich).



Insgesamt lässt sich also so einiges finden, was man zwar selber nicht hätte besser machen können, von dem man sich aber wünschen würde, dass Tolkien es besser gemacht hätte. Schließlich kritisiert man ja am liebsten die Dinge, die weitestgehend gut sind (sonst wäre es ja auch zu einfach).


Alles in allem, bin ich immer noch ein Fan der Buchreihe und würde sie durchaus ein sechstes Mal lesen.



Comments


Kommentare (6)

Vendég
2024. máj. 15.

Die kleinen Taschen und die Bekleidung für alte Puppen, einfach nur schön.

Leider bin ich völlig untalentiert für solche Sachen😔

Liebe Grüße

Petra

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Vendég
2024. ápr. 19.

Kleidung für Püppi. Von deinen Nähkünsten bin ich total begeistert und es ist so schön beschrieben, dass das Lesen echt Spaß macht. Liebe Grüße Brigitte

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Vendég
2024. ápr. 07.

Sehr schön zu sehen wie viel Spaß (und Zeit) du zum Nähen hast!

Es gibt an der Nähmaschine einen speziellen Stich für dehnbare Stoffe. Mit dem dürfte der Faden nicht reißen!

Für große Köpfe gibt es spezielle Tricks - einfach mal nachschauen wie das bei den Shirts für Babys gemacht wird!


Liebe Grüße

Miriam



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Vendég
2024. febr. 12.

Always insightful. Good work. 😀

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Vendég
2023. okt. 21.

Es regnet, endlich Zeit, die Beiträge zu lesen und nicht nur wahrzunehmen. Macht Freude, das zu lesen und obwohl ich das Buch und die Videos nicht kenne, kann ich mir eine Menge vorstellen! Biene

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Vendég
2023. júl. 30.

Sehr schön geschrieben!

Liebe Grüße

Christina

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