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China 2024 Teil 9: Babylon Nanjing

  • Autorenbild: Vensch
    Vensch
  • 23. Feb.
  • 3 Min. Lesezeit


Sonntag 

Um halb sieben beginnt jemand im Nebenraum eine Fliese abzuschlagen. Zum Glück dauert es nicht allzu lange. Als ich um halb neun aufstehe, weigert sich mein Kreislauf, das Gleiche zu tun. Aber bei 26° ist es angenehm kühl im Zimmer. Unsere Fenster gehen raus auf eine kleine Gasse, in der Mülltonnen stehen und sich die Köche von gegenüber lauthals Dinge erzählen. Wir melden uns vorne an und bestellen sehr guten Cappuccino für 28 RMB (~3,70€).

Der Aufenthaltsraum ist sehr gemütlich, eine angenehme Mischung zwischen traditionell Chinesisch und skandinavischem Minimalismus. Unsere Unterkunft wurde zwar als International Youth Hostel beworben, ist aber eher high-end und wegen der herannahenden Feiertage ungefähr dreimal so teuer wie gewöhnlich. Man lässt sich außerdem die Lage bezahlen. Wir sind in einem “historischen” Viertel, was bedeutet, dass alle Häuser aussehen wie traditionelle zweistöckige chinesische Häuser, sich darin aber nur lifestyle Geschäfte, teure Restaurants und überkandidelte Snack- und Kaffeeläden befinden. Überall laufen verkleidete Chinesinnen herum, die entweder traditionellen Dress mit Perücke oder den Stil des frühen 20. Jahrhunderts nachahmen. Wir gehen einmal quer hindurch, bis wir auf der anderen Seite an eine normale Straße kommen. Dort gibt es zwar immer noch überall Nanjing-Spezialitäten und Läden, die Kostümverleih und Make-up anbieten, aber man bekommt zumindest ordentliches Essen. Auf den Tischen im Restaurant gibt es QR-Codes für ein Alipay-Miniprogramm mit einer Speisekarte. Das Programm hat auch einen automatischen Übersetzer. Der funktioniert nicht besonders gut, aber man bekommt einen ersten  Eindruck, oft gibt es auch Bilder. Man bezahlt das Ausgewählte direkt. Wir bestellen Teigtaschen, Wantansuppe, süße Lotuswurzel, Nudelsuppe und Tomatensuppe mit Ei, Pilzen und Grünzeug, sehr lecker.



Dann machen wir einen kleinen Ausflug Richtung Fluss, dort ist ein Park auf der Karte eingezeichnet. An der Straße gibt es überall Essen und kleine Stände, so wie wir es in Hongkong vermisst haben. E-Mopeds sind omnipräsent. Eine Metrostation ist auch direkt in der Nähe. Wir inspizieren sie kurz, sie hat nur zwei Ausgänge. Wir verlaufen uns. Im Park angekommen finden wir einen richtigen Fitnesspark mit allem, was das Herz begehrt: Ringe, Dipbars, ein Hangelgerüst, vieles mehr. In der Mittagshitze trainieren gestählte Rentner und sie sind alle krass. Ein paar haben Sixpacks und können Spagat. Scheinbar gibt es sogar Gewichte, ob sie die selbst mitgebracht haben? Andere spielen Karten oder essen zusammen. Ich muss den Spielplatz zumindest einmal ausprobieren, vertage mich dann aber auf nach dem angekündigten Wetterwechsel. Eine chinesische Oma gibt mir einen Daumen hoch. Es gibt auch eine öffentliche Toilette direkt nebenan. Zwar gibt es, wie üblich, nur Hocktoiletten mit Löchern im Boden, aber Wasser und Seife. Schließlich treten wir den Rückzug an. In einer Seitenstraße sehen wir einen Straßenmarkt, auf dem es Essen in allen Aggregatzudtänden gibt. Einmal hält ein Moped neben uns, an dem eine 40cm große lebendige Schildkröte in einem Geschirr hängt.

Nach dem Mittagsschlaf stürzen wir uns noch einmal ins Getümmel, sind aber ein bisschen ratlos. In einem kleinen Laden an einer großen Straße essen wir zu Abend. Der Übersetzer spuckt uns für eines der Gerichte die Bezeichnung "Dickdarmgesicht" aus. Das Schriftzeichen, das hier mit Gesicht übersetzt wird (面), heißt in dieser Kombination eigentlich Nudeln, ob es aber wirklich Darm dazu gibt, kann ich nicht sagen. Wir essen Teigtaschen und Nudelsuppe mit extra Gemüse für 59 Kuai (~7,70€).



Auf dem Rückweg holen wir Reiskuchen fürs Frühstück. Mittlerweile ist viel los auf den Straßen. Wir schlendern noch einmal durch unser Viertel und fragen uns, ob das wohl jeden Abend so voll wird. In einer Kette namens Chagee, die so beliebt ist, dass die Leute draußen Schlange stehen, gibt es undefinierbare Getränke, die aussehen wie Tee mit Softeis. Wir probieren es nicht. Auf einem Platz gibt es Livemusik, eine Chinesin mit einer Gitarre singt Balladen und die Leute schwenken LED-Lichter. An einer Tafel sehe ich die zwölf sozialistischen Kernwerte (von der Regierung in Kampagnen propagierte Werte, die die Kommunistische Partei als moralischen Führer der Gesellschaft legitimieren sollen).


Comments


Kommentare (6)

ゲスト
2024年5月15日

Die kleinen Taschen und die Bekleidung für alte Puppen, einfach nur schön.

Leider bin ich völlig untalentiert für solche Sachen😔

Liebe Grüße

Petra

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ゲスト
2024年4月19日

Kleidung für Püppi. Von deinen Nähkünsten bin ich total begeistert und es ist so schön beschrieben, dass das Lesen echt Spaß macht. Liebe Grüße Brigitte

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ゲスト
2024年4月07日

Sehr schön zu sehen wie viel Spaß (und Zeit) du zum Nähen hast!

Es gibt an der Nähmaschine einen speziellen Stich für dehnbare Stoffe. Mit dem dürfte der Faden nicht reißen!

Für große Köpfe gibt es spezielle Tricks - einfach mal nachschauen wie das bei den Shirts für Babys gemacht wird!


Liebe Grüße

Miriam



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ゲスト
2024年2月12日

Always insightful. Good work. 😀

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ゲスト
2023年10月21日

Es regnet, endlich Zeit, die Beiträge zu lesen und nicht nur wahrzunehmen. Macht Freude, das zu lesen und obwohl ich das Buch und die Videos nicht kenne, kann ich mir eine Menge vorstellen! Biene

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ゲスト
2023年7月30日

Sehr schön geschrieben!

Liebe Grüße

Christina

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