China 2024 Teil 2: Erste Schritte
- Vensch
- 17. Nov. 2024
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 10. Apr.
Mittwoch

Der nächste Tag beginnt um 8 Uhr, zum Frühstück gibt es Ramen und Instantkaffee. Ich fühle mich mit einem leeren Kühlschrank immer unwohl, deshalb ist die erste Mission für uns, einen kleinen Essensvorrat aufzubauen. In unserem Viertel sind auf jedem Meter ungefähr drei Läden und zwei Restaurants. Um die Ecke stolpern wir in einen japanischen Supermarkt (Dondondonki), dessen Konzept geplante Reizüberflutung ist. Überall plärren Lautsprecher durcheinander und die vielen Farben führen fast zum sofortigen Erblinden. Vorne gibt es “Cheeseballs” (ein eher herzhaftes Gebäck, das nicht nach Käse schmeckt) und Fertiggerichte für etwa 5 Euro (am nächsten Tag finden wir auch noch einen Keller, wo es eine 10 Meter lange Theke mit Sushi gibt). In einer Seitengasse finden wir einen Markt mit frischem Obst. Alles mit Vitaminen ist relativ teuer in dieser Stadt, warum hat hier keiner Skorbut?

Direkt gegenüber von unserer Wohnung ist ein japanisches Hipster-Café namens Miligram, dort gibt es Flat White Cold Brew und Avocado-Toast. Der Cappuccino für etwa 5 Euro ist sehr gut und der Laden sehr gemütlich. Wenn man sich vorstellt in der Schweiz zu sein, ist es günstig. Hier sind wir nicht das letzte Mal.
Zum Mittagessen gehen wir die Straße runter und lassen uns in den ersten chinesisch aussehenden Laden ziehen, der Bilder vom Essen hat. Die Karte ist, wie (fast) alles in Hongkong, zweisprachig. Es gibt Fleischfleischfleisch. Wir bestellen den einzigen Gemüseteller, Teigtaschen und Reis mit Kohl und Schweinehack. Lecker!

Danach laufen wir an der längsten Rolltreppe der Welt vorbei und finden schon einmal meinen Weg zum Veranstaltungsort für den nächsten Tag (ein riesiger Wolkenkratzer, in dem ca. 65 verschiedene Sachen drin sind), den man am besten über eine Fußgängerbrücke im ersten Stock betreten kann. Man läuft zwar nur einen guten Kilometer über eine luxuriöse Einkaufsstraße, bequemer ist es aber, ein Stück mit der Tram abzukürzern. Diese zweistöckigen kleinen “Dingdings” (nach dem Laut der Glocke, die beim Losfahren läutet) fahren alle paar Minuten und kosten nur 3 Dollar (~35 Cent) für jede Strecke. Auf dem Rückweg holen wir uns einen Bubble Tea (珍珠奶茶: schwarzer Tee mit Milch und Tapiokaperlen) und schlendern durch eine Mall. Das Publikum ist überall sehr international, etwa 50% Westler, oft gemischte Gruppen und niemand starrt, man ist den Schmelztiegel gewöhnt. Dann flüchten wir in die relative Ruhe und Kühle unserer Wohnung, wo wir Klimaanlage und Luftentfeuchter anschmeißen.
Nach einer Pause machen wir uns auf, um uns mit ein paar meiner Kollegen zum Abendessen zu treffen, es soll Dim Sum* geben. Angeblich brauchen wir mit der Metro eine halbe Stunde bis zum Restaurant, wieder eine grobe Fehleinschätzung. Was wir nicht wissen: Das Restaurant ist in der Metro-Station West Kowloon. Google weiß es auch nicht. West Kowloon ist durch Fußgängerbrücken mit den MTR**-Stationen Kowloon und Austin verbunden. Google schickt uns auf der falschen Seite aus der Station Kowloon raus (die Station hat regulär 11 Ausgänge) und um die Station herum, wo eine riesige Straße ohne Bürgersteig nicht zum Verweilen einlädt. Als nächstes probieren wir die Fußgängerbrücke, die aber in die falsche Richtung abbiegt. Nach neuerlicher Recherche unter Zurateziehung des Satellitenbildes entscheiden wir, dass das Restaurant in der Station West Kowloon*** sein muss und konsultieren noch einmal die Adresse: Die mysteriösen Buchstaben dahinter stehen wohl für Eingang und Level. Eingänge sind ausgeschildert, Level nicht, aber auf der Karte ist direkt daneben ein Starbucks. Nach etwa 40 Minuten finden wir das Restaurant über besagtem Starbucks, den wir quer durch eine Halle auf einem anderen Höhenlevel erspähen. Wir kommen kurz vor meinen Kollegen an, die ebenfalls nicht gewusst haben, worauf sie sich einlassen.

Weil wir Ausländer sind, bekommen wir eine englische Papierkarte zum Ankreuzen, was meine chinesische Kollegin dazu veranlasst, später nachzufragen, ob denn auch die Preise die gleichen seien? Seien sie. Es gibt gebratenen Salat, Rettichteigtaschen, Teigtaschen mit Krabbenfüllung, frittierte Käsebällchen, kleine Baozi (Dampfnudeln) mit Schweinefleischfüllung, Hühnersuppe und gerollte Nudeln mit Leber. Letzteres wollten meine chinesischen Kollegen unbedingt, nur um es dann doch nicht recht zu mögen. Sie verbringen das Essen damit, sich gegenseitig die Leber unterzuschieben. Wir bezahlen etwa 15 Euro pro Person. Von unserer Odyssee klug geworden, sind wir tatsächlich in einer halben Stunde zu Hause und fallen erschöpft ins Bett.
* MTR = Mass Transit Railway, die Hongkonger U-Bahn, sehr zu empfehlen.
** Eine kantonesische Spezialität, quasi chinesische Tapas.
*** Die Station West Kowloon liegt östlich von der Station Kowloon. Während letztere eine Metro-Station ist, ist erstere ein Bahnhof, von dem aus Schnellzüge Richtung Festland fahren.
Die kleinen Taschen und die Bekleidung für alte Puppen, einfach nur schön.
Leider bin ich völlig untalentiert für solche Sachen😔
Liebe Grüße
Petra
Kleidung für Püppi. Von deinen Nähkünsten bin ich total begeistert und es ist so schön beschrieben, dass das Lesen echt Spaß macht. Liebe Grüße Brigitte
Sehr schön zu sehen wie viel Spaß (und Zeit) du zum Nähen hast!
Es gibt an der Nähmaschine einen speziellen Stich für dehnbare Stoffe. Mit dem dürfte der Faden nicht reißen!
Für große Köpfe gibt es spezielle Tricks - einfach mal nachschauen wie das bei den Shirts für Babys gemacht wird!
Liebe Grüße
Miriam
Always insightful. Good work. 😀
Es regnet, endlich Zeit, die Beiträge zu lesen und nicht nur wahrzunehmen. Macht Freude, das zu lesen und obwohl ich das Buch und die Videos nicht kenne, kann ich mir eine Menge vorstellen! Biene
Sehr schön geschrieben!
Liebe Grüße
Christina