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China 2024 Teil 13 Brotversuchungen und Olivenöleis in Hangzhou

  • Autorenbild: Vensch
    Vensch
  • 20. Apr.
  • 4 Min. Lesezeit


Donnerstag


Früh am nächsten Morgen geht es weiter nach Hangzhou, der Hauptstadt der Provinz Zhejiang und einer der schönsten Städte Chinas. Ein chinesisches Sprichwort sagt: Oben gibt es das Paradies, unten gibt es Suzhou und Hangzhou (上有天堂,下有苏杭). 

Die Straßen sind leer, aber am Bahnhof ist schon einiges los. An der Security am Eingang muss meine Schwester ihren Koffer öffnen und ihren Haarschaum abgeben, weil er entflammbar ist. Dem Typen vor uns wird eine Schere abgenommen, die etwas kleiner ist als die, die ich im Koffer habe. Unsere Deos werden nicht thematisiert. Man muss es nicht verstehen. Wir holen uns bei Costa noch einen Kaffee. Leicht übermüdet beginne ich leise "Bolle reiste jüngst zu Pfingsten” zu singen, ein tolles Volkslied aus der Mundorgel mit überraschendem Ende. 


Wir schlendern zum Gate, unten am Bahnsteig ist der Einstiegsort zu unserem Wagen auf dem Boden fest markiert und dort wartet bereits brav eine Schlange. In den letzten zehn Jahren, seit ich das letzte Mal in China war, hat sich einiges verändert, damals stand niemand Schlange. Später erzählt mir jemand, dass sich das innerhalb von einem halben Jahr geändert hat. Außerdem gibt es für Uberfahrzeuge Strafzettel direkt aufs Handy bei Überfahren der roten Ampeln. Damit ist der Verkehr gemächlich geworden, man kann sich zu Fuß bewegen, ohne um sein Leben zu fürchten, am Zebrastreifen halten Busse und Taxis an.


Um 12 checken wir in unser schickes Hotel am alten Kaiserkanal* ein. Nach einem kleinen Snack gehen wir ein paar Schritte am Kanal spazieren, dort gibt es viele Stände, schicke Läden und gemütliche Cafés. Letztere habe ich früher in China vermisst, jetzt gibt es derer eine große Zahl, scheint mir. Zu Mittag essen wir erst ein paar Teigtaschen in einer Kette (Wasserkastanie, Grünzeug und Fleisch in scharfsaurer Suppe) für etwa 60 Kuai (~8€), dann gehen wir noch in einen ganz einfachen Laden, für 23 Kuai (~3,10€) bestelle ich Suppe mit dicken Glasnudeln, Teigtaschen und einen Rettichfladen. Zurück im Hotel schauen wir uns ein bisschen um. Der im Internet beworbene Pool stellt sich als eine herbe Enttäuschung heraus, das Schwimmbecken ist gerade mal einen Meter tief, sehr warm und voller Kinder. Über die Feiertage sind von früh bis spät Eltern dort, die ihre Kinder drillen. Wir ziehen uns zurück, Zeit für eine Pause.



Abends treffen wir uns mit einer Freundin, die auf dem Campus der Zhejiang Uni wohnt. Sie nimmt uns kurz mit auf den Campus, um uns die gigantische Statue von Mao Zedong zu zeigen, zu der die Studierenden nach ihrem Abschluss kommen, um ihm Tribut zu zollen.

Dann mieten wir mit Alipay Fahrräder (1.5 RMB (~20 Cent) pro halbe Stunde) und fahren zu einem Restaurant am Westsee. Wegen Feiertag müssen wir ein bisschen warten, bis wir einen Tisch bekommen. Der „grüne Teegarten“ wird uns als das Kitschigste präsentiert, was Hangzhou zu bieten hat. Es ist in der Tat bunt, aber schön. Man sitzt gemütlich und wir bestellen ein bisschen viel zu viel Essen. Es gibt Fisch, Muscheln, Shrimps, Bratreis, Aubergine und die Krönung: “Temptation of Bread”, ein Klotz Toastbrot, mit zerlassener Butter und Vanilleeis oben drauf. Wir sind überraschend begeistert. Außerdem probieren wir einen leichten Reiswein, alles ist sehr lecker.









Die vier Kilometer bis zum Campus spazieren wir zusammen zurück, es ist überall grün und nett, wir reden und reden, meine Freundin empfiehlt uns alles, was wir in ein paar Tagen in Hangzhou erleben können, vom kleinen Fake-Paris über Dörfer mit Teefeldern bis zum Seidenmuseum. Unterwegs macht sie uns auf ein paar Propagandaplakate aufmerksam, die Leute mit gutem Sozialkredit präsentieren und eine besonders schöne Version der sozialistischen Kernwerte. 



Freitag


Unser Hotel bietet ein riesiges Frühstücksbuffet an, wäre es nicht so früh, könnten wir es richtig genießen. Die Chinesen bringen ungeniert Flaschen, Thermosbecher und Dosen mit und packen sich Essen für später ein. Etwas verholen tun wir es ihnen gleich. Ich habe eine Art Reisekater und muss mich für ein paar Stunden in unserem Zimmer verkriechen und das Hotelgym testen. Sie haben eine Smith Machine, mit der man keinen Spotter beim Gewichtheben braucht, das stellt mich zufrieden.

Zum Abendessen essen wir Malatang. An einem Buffet kann man Gemüse, Fleisch und Fisch auswählen, die dann in einer Brühe gekocht werden. Ich entscheide mich gegen die traditionelle Variante, die recht scharf ist. Danach landen wir in einer wunderbaren kleinen Bar in der Nähe des Westsees, wo es verrückte, selbstgemachte Eissorten und Getränke gibt. Das Olivenöleis schmeckt nach Salzkaramel und ist überraschend lecker. Ich probiere einen Zitronenkombucha und meine Schwester trinkt ein Glas spanischen Naturwein. Der Spaß kostet etwa doppelt so viel wie das Abendessen, aber die Stimmung im Laden ist toll. Die zwei Chinesinnen an der Bar sind mit Feuer und Flamme dabei. Die eine erklärt uns in gutem Englisch, dass sie begonnen hat, Deutsch zu lernen und dass sie gerne in Deutschland Arbeitserfahrung sammeln würde. Satt und zufrieden sinken wir zu Hause in unsere Kissen und genießen die Stille, die wir in Nanjing so vermisst haben.




* Der Kaiserkanal ist (laut Wikipedia) die längste von Menschen gemachte Wasserstraße der Welt. Er geht von Hangzhou nach Peking und ist über 1800 Kilometer lang. Teile davon existierten bereits vor 2000 Jahren, in seiner heutigen Länge besteht er etwa seit dem 13. Jahrhundert und war die wichtigste Wasserstraße im alten China, über die Süden und Norden mit Handelsgütern versorgt wurden.


Comentarios


Kommentare (6)

Guest
May 15, 2024

Die kleinen Taschen und die Bekleidung für alte Puppen, einfach nur schön.

Leider bin ich völlig untalentiert für solche Sachen😔

Liebe Grüße

Petra

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Guest
Apr 19, 2024

Kleidung für Püppi. Von deinen Nähkünsten bin ich total begeistert und es ist so schön beschrieben, dass das Lesen echt Spaß macht. Liebe Grüße Brigitte

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Guest
Apr 07, 2024

Sehr schön zu sehen wie viel Spaß (und Zeit) du zum Nähen hast!

Es gibt an der Nähmaschine einen speziellen Stich für dehnbare Stoffe. Mit dem dürfte der Faden nicht reißen!

Für große Köpfe gibt es spezielle Tricks - einfach mal nachschauen wie das bei den Shirts für Babys gemacht wird!


Liebe Grüße

Miriam



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Guest
Feb 12, 2024

Always insightful. Good work. 😀

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Guest
Oct 21, 2023

Es regnet, endlich Zeit, die Beiträge zu lesen und nicht nur wahrzunehmen. Macht Freude, das zu lesen und obwohl ich das Buch und die Videos nicht kenne, kann ich mir eine Menge vorstellen! Biene

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Guest
Jul 30, 2023

Sehr schön geschrieben!

Liebe Grüße

Christina

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