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China 2024 Teil 12: Aufruhr im Park

  • Autorenbild: Vensch
    Vensch
  • 6. Apr.
  • 3 Min. Lesezeit


Mittwoch

Wir sind wieder früh unterwegs, am Ufer gegenüber soll es einen modernen Buddha mit LED und Glitzer geben. Vor Ort stellen wir fest, dass der Glitzibuddha sich auf einem Museumsareal befindet. Der Eintritt beträgt 90 Kuai (~12€) und die Reisebusse trudeln bereits auf dem Parkplatz ein. Wir verzichten. Stattdessen fahren wir zu einem Einkaufszentrum, das wir am Tag zuvor aus dem Uber gesehen haben. Über der Tür prangen die sozialistischen Kernwerte, genau der richtige Ort dafür.


Der Gebäudekomplex ist nett aufgemacht, mit  verschiedenen Türmen mit Balkonen um ein Wasserfläche in der Mitte. Alles sieht ein bisschen retro aus. Wir holen uns überraschend günstigen Kaffee bei Manners und setzen uns auf die Dachterrasse im sechsten Stock. Dort ist es herrlich ruhig und gemütlich, die Sonne scheint, blauer Himmel bei 22°. Auf dem Rückweg runter sehen wir das erste Mal eine Gruppe Jungs einen Fotoshoot  machen, sie haben sich als Soldaten verkleidet und tragen Spielzeugwaffen, die unangenehm echt aussehen. Im Einkaufszentrum laufen sehr viele Teenager herum, die sich als Animefiguren verkleidet haben, das scheint hier so ein Ding zu sein. Es gibt diverse Läden mit Animespielzeug, Kostümen und Kostümverleih. Wir schauen durch ein paar High-End Läden, wo die Kleidungsstücke jeweils ca. 800 RMB (~100€) kosten. Es gibt auch H&M und Uniqlo, etwa 5-10€ günstiger als bei uns. Im Untergeschoss gibt es eine Food Area, die uns völlig erschlägt, schnell raus.

In einer Seitenstraße in der Nähe gibt es wieder kleine chinesische Läden. In einem Restaurant ohne QR-Code am Tisch schauen wir auf die Karte mit Bildern. Wir bestellen Gurkensalat, grünes Gemüse und einen riesigen Teller Shrimps mit Zwiebel. Wie immer gibt es eins der bestellte. Gemüse nicht, aber wir bekommen ein anderes, alles zusammen kostet 102 RMB (~13,4€). Uber bringt uns nach Hause, wo wir noch zwei Glibbertofunachtische kaufen müssen, die waren gestern zu lecker. Mango ist sehr gut und auch der rote, den wir nicht identifizieren können. 



Nach dem Mittagsschlaf wollen wir noch einmal in den Park, um ein bisschen Sport zu machen. Die Straßen des Touriviertels sind gerammelt voll, überall gibt es Polizisten und an den Toren Einlasskontrollen. Wir gehen ein Risiko ein – angeblich gibt es ein zweites Tor zum Park, der auf der anderen Seite der Stadtmauer liegt. Google legt uns mal wieder herein, der andere Eingang ist verschlossen. Wir laufen einen halben Kilometer zurück und langsam wird es dunkel (es ist ungefähr sechs Uhr). Aber im Park ist es schön, in den Bäumen gehen Laternen an, die Stadtmauer ist beleuchtet und überall trainieren fitte Rentner. Während ich mich aufwärme, spricht mich ein Chinese an. Wie alle, die mit uns sprechen, will er wissen, wo ich herkomme. Er erzählt mir, dass seine Tochter in Deutschland studiert, dass er Künstler ist und welche Orte er in Deutschland bereist hat. Nach einigem Hin und Her verstehe ich, dass er Schloss Neuschwanstein meint.* Er gibt mir seinen Wechat-Kontakt und ist begeistert, als ich anfange, Klimmzüge zu machen. Ich setze mein Training fort. Dann geraten wir in einen Aufruhr, als man drei Meter weiter merkt, dass wir Ausländer sind. Auch die anderen Rentner wollen wissen, wo wir herkommen. In starkem Dialekt diskutieren sie, ob ich denn nun Chinesisch kann oder nicht, irgendwann bekomme ich eine Idee davon, was sie von mir wollen. Vor allem wollen sie zeigen, dass chinesische Rentner einiges auf dem Kasten haben. Zwei machen Spagat, einer macht einen L-Hang und ein alter zahnloser Opa hängt sich an die Stange und macht Kunststücke. Sie fordern mich immer weiter heraus, ob ich mithalten kann, bis ich entscheide, dass es genug ist. Ich lobe sie gebührend und mache mich aus dem Staub, als ein junges Paar anfängt zu filmen. 



Für den nächsten Tag kaufen wir kalten Kaffee und Obst, dann suchen wir uns Abendessen. Das Restaurant in einer Seitenstraße ist kitschig, nett und klein. Es gibt keine digitale Karte, nur eine lange Liste auf Papier ohne Bilder. Die Chefin sagt, ich soll unsere Bestellung aufschreiben und quittiert das Ergebnis wird mit einem kritischen Blick. Die Hälfte von dem, was wir wollen, gibt es nicht, aber sie zeigt uns stattdessen anderes Gemüse. Wir bekommen Blumenkohl, gebratenen Salat, Tofu und Fisch für 108 Kuai (~14€). Die Kellnerin ist sehbehindert, sie hält die Tabletts über ihrem Kopf und zählt Schritte durch den kleinen Laden, vermutlich ist sie die Enkeltochter der Besitzerin. Ein ziemlich krasser Job.

Zurück schleichen wir und soweit möglich durch kleine Gassen, aber einmal müssen wir noch ins Gedränge, um einen Glibberpudding fürs Frühstück zu holen. Irgendwann ist es nur noch schieben und geschoben werden. Sicher in unserem lauten Domizil angekommen packen wir unsere Koffer und freuen uns auf Hangzhou.



* Oft sind Ortsnamen nicht übersetzt, sondern klingen ähnlich wie ihre Landessprachlichen oder englischen Namen, Köln heißt zum Beispiel Kelong oder München Munihei. Schloss Neuschwanstein (新天鹅堡) ist aber tatsächlich wörtlich übersetzt und somit für mich kaum zu erraten gewesen.


Comments


Kommentare (6)

Гость
15 мая 2024 г.

Die kleinen Taschen und die Bekleidung für alte Puppen, einfach nur schön.

Leider bin ich völlig untalentiert für solche Sachen😔

Liebe Grüße

Petra

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Гость
19 апр. 2024 г.

Kleidung für Püppi. Von deinen Nähkünsten bin ich total begeistert und es ist so schön beschrieben, dass das Lesen echt Spaß macht. Liebe Grüße Brigitte

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Гость
07 апр. 2024 г.

Sehr schön zu sehen wie viel Spaß (und Zeit) du zum Nähen hast!

Es gibt an der Nähmaschine einen speziellen Stich für dehnbare Stoffe. Mit dem dürfte der Faden nicht reißen!

Für große Köpfe gibt es spezielle Tricks - einfach mal nachschauen wie das bei den Shirts für Babys gemacht wird!


Liebe Grüße

Miriam



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Гость
12 февр. 2024 г.

Always insightful. Good work. 😀

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Гость
21 окт. 2023 г.

Es regnet, endlich Zeit, die Beiträge zu lesen und nicht nur wahrzunehmen. Macht Freude, das zu lesen und obwohl ich das Buch und die Videos nicht kenne, kann ich mir eine Menge vorstellen! Biene

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Гость
30 июл. 2023 г.

Sehr schön geschrieben!

Liebe Grüße

Christina

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