China 2024 Teil 10: Sehnsucht nach Gemüse
- Vensch
- 9. März
- 3 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 29. März

Montag
Am Montag stehe ich früh auf, um noch ein bisschen remote zu arbeiten. Um Viertel vor acht verspricht man mir an der Rezeption, dass es ab acht Kaffee gäbe. Um zehn nach acht sagt man mir, der Kaffee sei noch nicht da. Um zwanzig nach acht bekomme ich meinen Kaffee und die Welt ist wieder in Ordnung. Der Reiskuchen ist nicht mehr so lecker wie am Vortag, aber immer noch gut. Die Füllung ist recht neutral, ein bisschen süß, ich mag es. Bisher habe ich mit meiner eSIM keine Probleme gehabt, ich kann WhatsApp, Telegram und YouTube normal nutzen, ohne dass die Big Firewall of China zuschlägt. Plötzlich kann ich aber keine E-Mails an bestimmte Anbieter mehr verschicken, die kommen zurück und GMX behauptet, es gäbe die Adressen meiner langjährigen Korrespondenzpartner an der Uni Köln nicht. Ein anderer Browser löst das Problem.*

Die Mittagessenszeit starten wir mit einem frisch gepressten Granatapfelsaft und dann essen wir kalte Nudeln (der Übersetzer bietet uns „kalte Gesichtshaut“ an) und recht gemüsige Teigtaschen, alles zusammen für 30 Kuai (~ 4€). Danach schauen wir uns den Markt noch einmal tagsüber an. Überall gibt es viel zu sehen, es wird geschrien und es gibt Hühner und Meeresgetier zu kaufen aus sehr kleinen Käfigen. Die öffentliche Toilette nebenan ist die schlechteste bisher, es ist recht dreckig und es gibt keine Seife. Von den Erfahrungen der letzten Tage in falsche Sicherheit gewiegt habe ich mein Desinfektionsspray im Hotel vergessen und fühle mich einigermaßen ekelig, bis wir eine Straße weiter Seife kaufen können. Mit frisch gepresstem Zuckerrohrsaft gehen wir in den nächsten Park, dort ist es schön ruhig, nur die Moskitos fressen uns auf.

Von weitem beobachten wir eine verkleidete Chinesin bei ihrem Fotoshoot auf einer historisch aussehenden Brücke. Zu Fuß gehen wir rüber zum Konfuziustempel, der in einem ähnlich aufbereiteten Gebiet liegt wie unser Hotel: eine große Kirmes in traditionellen Gebäuden, überall gibt es Touristenmitbringsel (hauptsächlich vakuumierte Enten), Spielzeug und Essen, alles ist laut und bunt. Als wir schließlich am Tempel ankommen, haben wir gar keine Lust mehr reinzugehen. Auf dem Rückweg kaufen wir geröstete Esskastanien.

Nach einem reizarmen Nachmittagsschlaf brauchen wir Abendessen. Eigentlich suchen wir Gemüse, aber so nah an den Sehenswürdigkeiten gibt es fast nur Ente. Dazu bestellen wir Nudelsuppe mit Ei, ein bisschen Grün und Hühnchen und Teigtaschen gefüllt mit Reis und Fleisch. Wir haben uns ein bisschen überschätzt, leider haben wir keinen Kühlschrank und können nichts mitnehmen. Das Essen ist schon lecker, aber so langsam wäre es doch nett, wieder etwas Gemüse zu essen. Als wir noch einmal um den Block laufen und Regenschirme kaufen (meiner hat auch UV-Schutz), kommt der angekündigte Wetterwechsel. Plötzlich regnet es in Strömen. Auf zwei Bildern vor Restaurants sehen wir Gemüse und versuchen uns ihre Position zu merken (vergeblich). Die Belegschaft in den Restaurants sehen wir oft Reis mit Gemüse essen, vielleicht muss man danach fragen? Für das Frühstück holen wir Blätterteigküchlein mit Kohl, Rettich und Durian. Dann geht es durch das bunte Babylon zurück. Mittlerweile haben alle Leute Regenschirme. Sobald der erste Regentropfen fällt, stehen plötzlich überall Verkäufer und bieten Regenschirme für 10 Kuai (~ 1,30€) an. Wir schauen noch einmal in den viel gelobten Buchladen um die Ecke “Avantgarde Bookstore”, es gibt sehr viele Übersetzungen internationaler Titel (Originaltitel mit auf dem Cover) - Austen, Rowling, Nabokov, aber kein erkennbares System, nach dem sie geordnet sind. Außerdem gibt es schönes Spielzeug - Steampunk-3D-Puzzles und viele nette Ecken zum Sitzen und Kaffee, wegen des Regens ist aber ein bisschen viel los und es ist zu spät für Koffein.

Ich will noch nach Hause telefonieren, dort ist es jetzt Nachmittag. Leider ist der schöne Aufenthaltsraum, der morgens so friedlich ist, nicht zu ertragen. Von draußen schallen Lautsprecherdurchsagen herein, drinnen läuft Popmusik und aus dem Frontoffice dröhnt traditionelle chinesische Musik (selten ein Vergnügen). Ich suche mir ein ruhiges Plätzchen in den Gängen an einem Treppenabsatz, nachdem ich den Zustand der öffentlichen Toiletten gesehen habe, möchte ich nicht mehr auf dem Boden sitzen. Während des Telefonats kommt ein kleiner Marder die Treppe hoch, mustert mich ganz unverblümt und zieht seiner Wege.
* dieses Mal.
Die kleinen Taschen und die Bekleidung für alte Puppen, einfach nur schön.
Leider bin ich völlig untalentiert für solche Sachen😔
Liebe Grüße
Petra
Kleidung für Püppi. Von deinen Nähkünsten bin ich total begeistert und es ist so schön beschrieben, dass das Lesen echt Spaß macht. Liebe Grüße Brigitte
Sehr schön zu sehen wie viel Spaß (und Zeit) du zum Nähen hast!
Es gibt an der Nähmaschine einen speziellen Stich für dehnbare Stoffe. Mit dem dürfte der Faden nicht reißen!
Für große Köpfe gibt es spezielle Tricks - einfach mal nachschauen wie das bei den Shirts für Babys gemacht wird!
Liebe Grüße
Miriam
Always insightful. Good work. 😀
Es regnet, endlich Zeit, die Beiträge zu lesen und nicht nur wahrzunehmen. Macht Freude, das zu lesen und obwohl ich das Buch und die Videos nicht kenne, kann ich mir eine Menge vorstellen! Biene
Sehr schön geschrieben!
Liebe Grüße
Christina