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4 Yuan und ein Schlüssel - Teil 6

  • Autorenbild: Vensch
    Vensch
  • 5. Feb. 2020
  • 4 Min. Lesezeit

Mein alter Reisebericht aus China, 2010

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Garnele rein, Schale raus


10.10.10, 10:30, ‚mein’ Zimmer, Sonntag

Ich habe mein Frühstück stehen lassen. Nicht weil die Teigtaschen so labberig waren, damit wär ich klargekommen. Aber essen, während die Oma nebenan mit offener Tür kotzt? Ich fürchte, so hart bin ich noch nicht. Ich werde später drauf zurückkommen, wenn es nicht mehr ganz so heiß ist (ich konnte es eh kaum essen) oder mich an die Banane halten, die ich gestern beim Mittagessen hab mitgehen lassen.

Citrus hat mir erzählt, sie schläft am Wochenende gerne lange, sogar bis 12. Als ich um 10 ins Wohnzimmer kam, saß sie schon da und machte Hausaufgaben…

Ihr Laptop ist noch langsamer als der andere Computer, aber das ist nur eine Feststellung, ich bin froh, ihn zu haben.

Wir fahren nach keine Ahnung. Traditionell chinesische Stadt oder so halt. Jedenfalls definitiv aus Shanghai raus. Der Vater, Citrus und irgendein Verwandtschaftsgrad von Citrus. Das ist alles nicht so ganz klar, ich glaube, hier sind alle ‚Schwestern’ und ‚Brüder’. Mir ist total langweilig. Der normale Gesprächston geht locker über die volle Lautstärkeeinstellung von meinem MP3-Player drüber. Für mich jedenfalls wesentlich zu laut. Bis jetzt hat mich die Lautstärke auch im Haus und nachts nicht gestört, aber grad ist es irgendwie zu viel. Aber ich glaube, den Tag damit zu beginnen, jemandem beim Kotzen zuzuhören, wäre den meisten Europäern unangenehm.

Das Auto wackelt so, dass ich kaum schreiben kann. Aggressiv. Sie ‚plaudern’ wieder. Ich höre Pimpulsiv. Wenn das Ziel den Trip nicht wert ist, oder mir nichts Gutes einfällt, wird der Tag nicht so Bombe.

Übrigens: Neue Autobahnregeln: Die Rechte Spur darf ruhig schneller sein, wenns passt und Seitenstreifen und Beschleunigungsstreifen sind dasselbe. 130km/h. Ich bin immer noch die Einzige, die angeschnallt ist.

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Es ist es definitiv wert. China will mich nicht enttäuschen. Immer noch ein bisschen laut, aber diese Stadt ist super. Viel weniger Europäer, viel mehr China!

Die erste echte Aktion ist Mittagessen, also macht es nichts, dass ich kaum gefrühstückt habe. Auch wenn es für mich als Europäer (ich sage das häufig, oder?) gar nicht so einfach ist, ganze Garnelen und halbe Krebse zu essen, es ist mal wieder sehr lecker und vor allem etwas Neues. Was genau ich gegessen habe, weiß ich nicht, aber diesmal kann ich verifizieren, dass kein Hund dabei war.

Ich habe ja schon vorher gehört, dass Chinesen alles ganz in den Mund stecken und das nicht verwertbare fast augenblicklich wieder ausspucken, aber in Aktion ist es deutlich faszinierender, das könnte ich auch gern.

Vielleicht kommt es mir nur so vor, aber hier scheinen viel weniger Ausländer zu sein. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Stadt wirklich traditionell ist, oder für Touristen. Ok, echt, hab gefragt.

Diese roten Lampions hängen wirklich überall. Beijing, Shanghai, hier, in jeder Straße! Wer die produziert muss reich sein.

Das Wasser in den Kanälen guckt mich auch wesentlich freundlicher an als der Huang Pu, als wollte es sagen: Ich bin noch echtes chinesisches Wasser. Und nicht: Ich verrecke an Abwässern.

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Wir haben eine Bootstour über die Kanäle gemacht. Menschen, die schnell seekrank werden, wären schnell seekrank geworden. Ich fands großartig. Konnte mich kaum satt sehen. Die kleine Cousine hat zwischendurch die Hausnummern gerufen, ich konnte sie verstehen!

Danach gings los die Zitronentante besuchen, aber sie arbeitet (in einer Schule). Jetzt sind wir (die beiden Mädchen und ich) in einer Art Kiosk und dürfen uns Sachen aussuchen. Die beiden schlagen gut zu, aber ich habe mir nur einen Eistee genommen, ich bin noch voll vom Mittagessen und weiß ja eh nicht, was das alles ist. Außerdem fühle ich mich noch nicht ganz bereit für Hühnerfüße.

Nach Zhu Jie Jiao waren wir in einem riesigen Park. Die Landschaft war schon echt hübsch, aber am besten waren Hero’s Road und the fun bridges. Beides waren kleine Kletterpark-artige Geschichten, so was liebe ich ja. Ich hoffe, das sah nicht nach angeben aus, bzw. ich hoffe, ich war nicht unhöflich, aber ich hatte so viel Spaß!

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Jetzt bin ich voll erschöpft und meine Hände sind immer noch rot, gut, dass wenigstens mein Mauerkater fast weg ist. Heute Abend muss ich wieder dringend duschen.

Das kleine Mädchen ist, nachdem es ein bisschen aufgetaut ist, wirklich informativ. Obwohl sie mindestens zwei Jahre jünger als Citrus ist, spricht sie in etwa genauso gut Englisch.

Ich glaube mittlerweile, dass Citrus vermutlich doch Einzelkind ist. Mir fällt es aber auch relativ schwer, das Alter der anderen Wohner einzuschätzen.

Es ist jetzt 17:00, ca. 22° und es fängt an dunkel zu werden, ich glaube, es gibt bald Essen. Die Sprachbarriere ist definitiv existent. Der Anschnallgurt des Fahrersitzes ist übrigens eingesteckt (ich wette, das Auto piept sonst), aber der Vater sitzt immer davor.

Wo wir jetzt essen siehts echt edel aus. Ein Tisch, ein Raum mit Toilette und Fernseher.

Als Vegetarier kann man es in China glaub ich nur aushalten, wenn man akzeptiert, dass das meiste Gemüse schon mal Fleisch berührt hat. Wenn man als Fleischesser allerdings Probleme hat, wenn man das Fleisch noch dem Tier zuordnen kann, könnte es schwierig werden.

‚Keep safe distance’ steht an den Autobahnen. 200m. Die Chinesen haben echt Humor. Es ist vermutlich ein Fake-Schild, denn auch hier ist ein Zehntel die Realität, 20m Maximum. Aber das macht nichts, der Zitronenvater lichthupt eh alle aus dem Weg und wer das nicht will, wird über den Seitenstreifen rechts überholt.

Als wir wieder zu Hause waren, wusste ich irgendwie so gar nicht, was ich tun soll. Der Laptop ging zwar, aber das Internet war zu langsam. Normalerweise wäre ich an den anderen PC gegangen, bzw. hätte gefragt, aber die Tür war zu und Citrus hatte Stress mit ihrem Vater, da wollte ich nicht auch noch ankommen. Ich hab dann versucht, Chinesisch zu lernen, aber ich war total unruhig. Nicht zu wissen, ob man eine Nachricht hat, ist schlimmer, als zu wissen, dass man keine hat.

Zum Glück durfte ich später noch mal dran, auch wenn ich dann zu lange on war…

Ich merke, wie mein Englisch hier den Bach runter geht! Mir fallen die einfachsten Worte nicht ein und ich höre mich Sätze sagen, da rollen sich mir die Fußnägel auf!

Naja, jetzt sollte ich wirklich schlafen, morgen gibt’s Museen und chinesischen Musikunterricht.

Comments


Kommentare (6)

Guest
May 15, 2024

Die kleinen Taschen und die Bekleidung für alte Puppen, einfach nur schön.

Leider bin ich völlig untalentiert für solche Sachen😔

Liebe Grüße

Petra

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Guest
Apr 19, 2024

Kleidung für Püppi. Von deinen Nähkünsten bin ich total begeistert und es ist so schön beschrieben, dass das Lesen echt Spaß macht. Liebe Grüße Brigitte

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Guest
Apr 07, 2024

Sehr schön zu sehen wie viel Spaß (und Zeit) du zum Nähen hast!

Es gibt an der Nähmaschine einen speziellen Stich für dehnbare Stoffe. Mit dem dürfte der Faden nicht reißen!

Für große Köpfe gibt es spezielle Tricks - einfach mal nachschauen wie das bei den Shirts für Babys gemacht wird!


Liebe Grüße

Miriam



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Guest
Feb 12, 2024

Always insightful. Good work. 😀

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Guest
Oct 21, 2023

Es regnet, endlich Zeit, die Beiträge zu lesen und nicht nur wahrzunehmen. Macht Freude, das zu lesen und obwohl ich das Buch und die Videos nicht kenne, kann ich mir eine Menge vorstellen! Biene

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Guest
Jul 30, 2023

Sehr schön geschrieben!

Liebe Grüße

Christina

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