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4 Yuan und ein Schlüssel - Teil 2

  • Autorenbild: Vensch
    Vensch
  • 1. Feb. 2020
  • 6 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 6. Feb. 2020

Meines alter Reiseberichts über China von 2010


Wir sind doch hier in China


6.10.10, Mittwoch, ca. 7 Uhr

Intelligente Menschen hätten vielleicht gemerkt, dass man gar keinen Adapter braucht. Also mal wieder ein Stimmungstief umsonst. Aber irgendwann müsste das ja auch mal aufhören… Heute gehts auf jeden Fall in die verbotene Stadt.

Mittlerweile habe ich 50€ abgegeben zum Umtauschen und mir 5 Yuan für Wasser erbettelt. Irgendwie habe ich das mit Msn nicht so gut hinbekommen. Der PC war sehr langsam und ich wusste es einfach nicht mehr… aber so hab ich wenigstens rausbekommen, dass SchüVz hier funktioniert.

Heute Nacht habe ich (mit Unterbrechungen) fast 11 Stunden geschlafen. Schlaf, Wasser, es geht bergauf. Nur meine Haut ist verdammt trocken und in meiner Kulturtasche ist die Seife ausgelaufen, ziemlich bäh.

Momentan spiele ich oft das „Ich kenne da jemanden, der…“-Spiel. Ich gucke auf die Uhr, rechne 6 Stunden zurück und überlege, was die Leute zu Hause grade machen. Grade schlafen sie.

Unsere Reiseführerin im Bus hat ein episches Echo. Wir fahren Ewigkeiten Bus. Man hat das Gefühl, Peking ist nur Vorstadt. Momentan ist es leer, weil eine Woche nach dem 1. Oktober (Nationalfeiertag) Ferien sind.

Heute geht’s auch zum Tian’anmen Platz. Himmlischer Frieden und so. Ich werde mich sehr zusammen reißen und nicht „free tibet“ rufen.

Unser Hotel ist sehr nah am 2. Ring (Peking hat 5, der erste ist der Tian’anmen und die verbotene Stadt), das ist sehr praktisch.

Heute Nachmittag wollen wir auf den berühmtesten Markt Pekings. Gut, dass wir Geld getauscht haben.

Das ist also der Platz. 20 Millionen Menschen am Tag. Merkt man gar nicht *hust*. Alles fotografiert…. Nur so einen Chinesen in Uniform, das versuch ich noch.

Verbotene Stadt. Komme aus dem Grinsen nicht mehr raus.

Diese Stadt ist noch größer als verboten. Meine Füße… Wir haben zwei Stunden Zeit für den Weg vom Süd- zum Nordtor. Ich glaube, man kann hier drin Jahre verbringen. 1000 Seitengässchen mit Ausstellungsstücken.

Es ist warm. Mindestens 25°, aber der Himmel hat das mit dem Blau nicht so ganz drauf, das ist der Smog.

14:30 Heute gibt es echtes chinesisches Essen. Mit vielen Speisen auf einer Platte an einem runden Tisch. Eine kommunikative Angelegenheit und zum satt werden (und ich gehe jetzt nicht von meinem Standard aus).

Bei dem meisten wissen wir sogar, was es ist. Kein Hund dabei. Nur Schweinefleisch, Huhn und Fisch. Mit Stäbchen durchaus abenteuerlich. Nicht für mich… naja nicht so. Obwohl meine Füße ein bisschen müde sind, bin ich sehr zufrieden. Gleich kriegen wir sogar Geld. Praktisch, wo wir auf einen Markt wollen. Mal sehen, wie das wird, aber die verbotene Stadt kann es nicht toppen. Soo toll!

Wir haben grade rausgefunden, wie schnell sich die Drehplatte des Tisches dreht. Bis die Fischsoße über den ganzen Tisch verteilt ist…

Chinesisches Einkaufen ist nichts für mich. Richtig furchtbar. Bitte nicht lachen. Wurde gleich abgezogen. Und im Anschluss gerettet. Dabei wollte ich eigentlich nur ein T-Shirt kaufen. Obama in Kommunistenuniform. Voll lustig. Aber leider muss man menschenverachtende Mittel einsetzen, um einen fairen Preis zu bezahlen. Das ist mir zu hart, man fühlt sich richtig unwohl. Fast schlimmer als in der Türkei. Ich bin froh, dass ich da raus bin. Die einzige Maobüste war zu schwer und zu teuer. Aber da was zu kaufen macht auch keinen Spaß.

Jetzt sitze ich in Beijings ältestem mexikanischen Restaurant mit ein paar Leuten. Wie gut, dass die keine doofen Frauenwitze machen. Unser China-Experte (deutscher Student in Peking, der Chinesisch kann) ist ein merkwürdiger Kerl. Kennt sich aus, klar. Auch irgendwo sympathisch. Aber wie so ein Schuljunge. Bei jedem Scheiß dabei. Merkwürdig. Aber es ist lustig, wenn er mit Chinesen redet. Ich verstehe tatsächlich was! Er hat mir auch geholfen, mein Geld wiederzukriegen. Chinesisch können ist ein echter Bonus.

Fast alle, die was gekauft haben, haben zu viel bezahlt. Ein T-Shirt ist ca. 30 (3 €) Yuan wert und die starten bei um die 650… das ist mir echt zu hart. Ich versuchs glaub ich in Shanghai noch mal, vielleicht mit chinesischer Unterstützung.

In Shanghai wird es dann auch ruhiger. Hier sind wir ja nur auf Trab. Das hat ja auch was. Aber immer diese Rumrennerei!

Die anderen bauen grad das Spielzeug zusammen, das Markus (der Führerkerl) für 40 Yuan für seine WG gekauft hat. So ein quasi Perpetuumobile, nur halt nicht ganz.

Gleich geht’s zurück zum Bus, weiß nicht, ob/wanns Abendessen gibt. Heute Abend geht auf jeden Fall ins Theater. Akrobatikaufführung. Jede Menge kleine, gedrillte Chinesen. Menschlich gesehen schon hart… aber garantiert eindrucksvoll.

Und morgen geht’s auf die Mauer. Das wird garantiert super. Chinesische Architektur ist so unglaublich unglaublich. Immer, wenn ich alte Gebäude sehe, krieg ich eine Gänsehaut. Ich habe die verbotene Stadt geliebt. Nur deswegen würde ich wiederkommen. Das ist echt eine Tagestour wert. So unglaublich viele Plätze! Manche meinten, die sehen alle gleich aus. Aber nein! Ein paar hatten tatsächlich nur subtile Unterschiede, aber trotzdem großartig! Und man steht da in diesem Meer aus goldenen Dächern. Und dahinter die Peking Skyline im Smog. Man sieht wirklich kaum weit, als ob es ständig nebelig wäre. Aber die Luft ist klar beim Atmen. Sehr merkwürdig.

Meine Fotoapparat Batterien treiben grade Markus’ Spielzeug an. Pft.

Ich glaube, heute Abend fall ich wieder tot ins Bett. Ein paar von den anderen wollen noch raus, aber das brauch ich glaub nicht. Ich will vor allem nicht verloren gehen. Keiner hat uns den Namen des Hotels gesagt. Wir haben keine Telefonnummer der Lehrer und immer noch keine chinesische SIM. Aber die spannenden Sachen machen wir ja auch tagsüber.

Im Bus vergleichen alle ihre Preise. Nein man. Nichts für mich. Ich zahle lieber keine vier Euro für ein T-Shirt, wenn ich es dann in Ruhe anprobieren darf, ohne halb zerfleischt zu werden. Was bringen mir billige Schuhe, wenn sie nicht passen? Ich vermute, ich bin ein bisschen deprimiert. Mitbringsel werden wohl ein bisschen schwierig für mich. Zumindest werde ich nicht viel Geld ausgeben, wies aussieht.

Gleich 7. Dunkel, 22°.

Abendessen und Mittagessen lagen ca. 3-4 Stunden auseinander. Vielleicht war das Essen im Flieger doch prophetisch? Aber spätestens jetzt ist klar: hier werde ich nicht verhungern. Die chinesische Esskultur ist großartig und es müsste eigentlich für jeden was dabei sein. Außer für die Mäkeltanten an den Tischen, wo das Essen unberührt aussieht. Aber die stören sich ja auch an den runden Tischen. Nein, wie man hier Essen geht ist absolut meins. Und jetzt, wo wir Geld haben, wird auch keiner verdursten.

Also ich bin ja auch gegen Drill, aber das hier ist schon echt übermenschlich, was die können. Auch wenn die Chinesen es nicht darauf anlegen, dass es synchron ist, ist die Akrobatik wirklich atemberaubend. Die Klos dagegen sind erwartet eklig… Aber diese Kunststücke! Das klingt fast wie ein Diminutiv. 6 Mädchen, die alle Handstand machen, unten 3, dann 2, dann 1! Übel!

Nur Chinesen kriegen 11 Frauen auf ein Fahrrad! Ich kann das alles jetzt nicht im Detail beschreiben, aber ich muss auf jeden Fall Stichworte aufschreiben und es später ausführen… Die Wipper, die rosa Gelenkigen, der Stuhlmann, die Kerle mit dem Doppelrad, der mit dem Brett und der Rolle, die Fahrradfrauen. Ich glaube nicht, dass ich das ohne großes Handgefuchtel in Worte fassen kann. Auf jeden Fall ist man permanent gefangen zwischen einem „Woa, mehr“ und „nein, bitte nicht noch halsbrecherischer!“

Nebenbei: Es ist gleich 9 und immer noch 22°.

Man sollte meinen, Bus fahren würde irgendwann langweilig. Aber auch, wenn ich die meiste Zeit dabei schreibe, ist es echt faszinierend. Der moderne Baustil ist in einem Wort krass. Ich merke grade, wie die Reise zu meiner Realität wird. Jetzt fühl ich mich richtig mit mir im Reinen. Ich hoffe, das hält an. Auch ohne für unglaublich wenig Geld Fake-Waren gekauft zu haben und ohne nachts rauszugehen. Vielleicht überrascht es einige, dass ich das nicht mache, wegen einmalige Chance und so. Aber wir sind vermutlich um 9:30 im Hotel und morgen müssen wir um sechs Uhr aufstehen. Die Mauer ist mir ehrlich gesagt zu wichtig um auf ihr vor Schlafmangel zu krepieren.

Aber zurück zum Bus fahren. Es gibt mittlerweile ein paar Dinge, die ich über den chinesischen Verkehr gelernt habe. Helmpflicht hat keine Entsprechung im Chinesischen. Rote Ampeln sind genauso Richtlinien, wie Fahrbahnbegrenzungen. Mit Fußgängerüberwegen war mal was, aber keiner erinnert sich an was und die Hupe ersetzt die Bremse.

Haha, wir dürfen gar nicht alleine weg, da hat wer Scheiße erzählt. Und abgesehen davon, dass ich mich eh nicht rausschleichen würde, hier sowieso auf keinen Fall. Gut, nach Hause schicken können sie mich nicht… aber das hier ist n Sightseeing Urlaub und ich will die Sights auch seen. Chinesische Partykultur probier ich aus, wenn ich so alt wie die anderen Patygänger bin – so Ende 20. Und die Meistershopper sorgen sich mittlerweile, dass sie am 2. Tag über die Hälfte ihres Geldes ausgegeben haben. Tihi, leichte Schadenfreude.

Aber was hier auf jeden Fall gekommen ist, ist ein fetter Anreiz mehr Chinesisch zu lernen. Die Zeichen sind unglaublich stark mit der alten Kultur verwoben, allein die Bedeutung des Wortes Wang, ich könnte quietschen. Extremer Neugier-Glücksgefühl-Hormon-Flash, habe grade vergessen, wie das heißt…

Ich habe übrigens den ganzen Tag nicht ein einziges Mal „free tibet“ gerufen. Aber gehört hab ichs. Wenn ich weiter so viel schreibe, will das hier bestimmt keiner mehr lesen… aber keine Angst, Shanghai wird bestimmt langweiliger.

Ich les jetzt noch ein bisschen in meinem Reiseführer (super interessant und alle glauben, ich hätte fett Ahnung) und dann schlaf ich, morgen sechs Uhr aufstehen.

Comments


Kommentare (6)

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15 de mai. de 2024

Die kleinen Taschen und die Bekleidung für alte Puppen, einfach nur schön.

Leider bin ich völlig untalentiert für solche Sachen😔

Liebe Grüße

Petra

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19 de abr. de 2024

Kleidung für Püppi. Von deinen Nähkünsten bin ich total begeistert und es ist so schön beschrieben, dass das Lesen echt Spaß macht. Liebe Grüße Brigitte

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07 de abr. de 2024

Sehr schön zu sehen wie viel Spaß (und Zeit) du zum Nähen hast!

Es gibt an der Nähmaschine einen speziellen Stich für dehnbare Stoffe. Mit dem dürfte der Faden nicht reißen!

Für große Köpfe gibt es spezielle Tricks - einfach mal nachschauen wie das bei den Shirts für Babys gemacht wird!


Liebe Grüße

Miriam



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12 de fev. de 2024

Always insightful. Good work. 😀

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21 de out. de 2023

Es regnet, endlich Zeit, die Beiträge zu lesen und nicht nur wahrzunehmen. Macht Freude, das zu lesen und obwohl ich das Buch und die Videos nicht kenne, kann ich mir eine Menge vorstellen! Biene

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30 de jul. de 2023

Sehr schön geschrieben!

Liebe Grüße

Christina

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