4 Yuan und ein Schlüssel - Teil 12
- Vensch
- 6. Feb. 2020
- 7 Min. Lesezeit
Mein alter Reisebericht von meiner Chinareise 2010

Der schiefe Turm von Suzhou
16.10.10, Samstag, 7:15 Suzhou Garden Hotel
Na das war ja mal nichts mit halb neun. Zitronenmama kommt erst mal um sieben und weckt Citrus wegen Frühstück. Mich haben sie dabei nicht absichtlich geweckt, weshalb ich auch nicht aufgestanden bin. Aber schlafen kann ich jetzt auch nicht mehr so wirklich. Da kann ich auch gleich aufstehen…. Mal schaun, was es hier so an Frühstück gibt. Nobel genug siehts ja aus, dass man was erwarten könnte.
Unten sind noch ein Bad und eine Küchenzeile, wir hätten auch noch einen Balkon…
Achso, sie haben noch gar nicht gefrühstückt (jetzt ist es acht), aber gut, dass wir um sieben aufgestanden sind!
Das Frühstücksbuffet war so wie das Zimmer, riesig und nobel. Da waren echt leckere Sachen dabei. Vermutlich war in dem einen, das ich gegessen habe Haifischflosse… Natürlich reichten meine zwei Teller nicht, mir wurden noch zwei Suppen und eine Sojamilch dazugestellt. Die habe ich allerdings kaum angerührt. Die Suppen waren mäßig (ich glaube, das eine war Misosuppe), aber zu viel davon um lecker zu sein und auf Sojamilch stehe ich ja eh nicht so…
Jetzt wollen wir angeblich irgendwelche großen Gärten besuchen gehen.
Mittlerweile ist aus den Gärten ein Park geworden. Ob wir da ankommen, ist mir allerdings noch nicht ganz klar. Die Straßen sind unglaublich voll und es herrscht absolutes Chaos.
Nebenbei ist es wärmer als gedacht. Entweder hat Suzhou anderes Klima, oder Wetter.de hat keine Ahnung. Aber mehr als 25° erwarte ich eigentlich nicht, das geht noch mit Jeans, wenn man sich nicht zulange in der Sonne aufhält.
Die Stadt hier ist definitiv chinesischer als die Innenstadt von Shanghai. Um die Kultur zu schützen, dürfen die Gebäude hier nicht höher als sieben Stockwerke sein. Die sehen hier aber auch ganz anders aus, mehr wie in Zhu Jia Jiao. Es gibt auch wieder Kanäle und Straßen mit kleinen Häusern und Bäumen, wo man alles kaufen kann.
Wir sind an einem Zoo vorbeigekommen, ich will gar nicht wissen, wie die Tiere da gepfercht werden, nach den Fischbottichen, die ich gestern im Museum gesehen habe.
Irgendwie bin ich immer noch kaputt, nicht richtig müde, aber schlapp. So langsam wäre ein Tag Pause mal ganz schön, der ist jedoch nicht wirklich in Sicht. Wir fahren erst morgen zurück und ich weiß nicht, wann. Am liebsten würd ich einfach mal einen Tag nichts tun, ein bisschen was lesen oder so.
Als ich dann da war, war es wieder ein Garten. Aber Garten/Park, wurst. Im chinesischen ist das eh alles „yuan“.

Die Suzhou-Gärten sind immerhin Weltkulturerbe. Richtig, richtig hübsch und über doppelt so groß wie die Yu-Gärten. Viel offener, als ob man nicht mehr in der Stadt ist. Ausnahmsweise gibt es nicht mal Skyline hinter den alten Mauern.
In den Bächen und Teichen wuchern überall Pflanzen mit Riesenblättern, die aussehen wie Schirme. Voll viele Leute sind mit so einem Blatt durch die Gegend gerannt. Es ist ein Wunder, dass die Wasserflächen nicht schon kahl sind!
Dort im Garten hab ich auch mal wieder richtig viele Fotos gemacht, als Gegensatz zum Yu-Garten, da hab ich mehr gefilmt. Trotzdem habe ich noch über 250 Fotos, sieht aus, als würde ich den 2. Chip doch nicht brauchen. Aber häufig will ich hier lieber selber gucken, als ein Foto zu machen, in das mir eh jemand rein rennt.
Von diesem Garten habe ich auch endlich mal die Eintrittskarte, die andern hat Frau Cao vermutlich gegessen. Außerdem habe ich den Flyer des Museums, in dem wir danach waren. Das war ein bisschen überflüssig. 1. war ich schon in so vielen Museen, habe also 2. schon prächtigere Ausstellungsstücke gesehen und 3. ist immer noch fast alles auf Chinesisch.
Zum Glück sind wir nicht ganz durchgegangen, sondern dann zum Essen aufgebrochen.
Heute ist es wieder richtig warm, ich habe meinen Spätsommer zurück, dafür fühle ich mich auch schon wieder durchgeschwitzt. Heute Abend teste ich erst mal unsere Luxushoteldusche. Ehrlich gesagt bin ich nach diesem Riesenfrühstück noch nicht wieder hungrig. Da wir aber schon im Restaurant sitzen, hoffe ich einfach mal, dass das mit dem Essen etwas dauert, dann kann ich gleich Pause machen. Meine Füße klopfen schon wieder an die Innenseiten meiner Schuhe und betteln um Gnade…
Eben haben wir zum ersten Mal (außer zu Hause), in einer Tiefgarage geparkt. Da drinnen gibt es Parkeinweiser. Die stehen da seelenruhig und rauchen. In der Tiefgarage. Der einzige Weg raus ist der, den man mit dem Auto auch reinnimmt. Zum Thema Verkehrsphänomene geht mir auf jeden Fall nicht der Gesprächsstoff aus. Ich kann mich nicht entscheiden, wem ich heute Morgen den Titel des coolsten Zweiradfahrers verleihen soll. Da war dieser Mann im Anzug mit einer Frau im Damensitz im Kostüm hinten drauf und sie am telefonieren, das war schon nicht schlecht. Die einzige Konkurrentin ist die Frau, die beim Fahren einen Reiterhelm mit drangebautem Visier trug. Hier hat man jedenfalls immer was zu gucken.
Gestern saß ein kleiner Junge mutterseelenallein in der U-Bahnstation an einer Steckdose und spielte auf seiner Spielkonsole. Solche Sachen passieren hier am laufenden Band…
Eben hab ich mich zum ersten Mal dem Kollektiv angeschlossen und mich nicht angeschnallt. Ich sollte versuchen, mir das nicht anzugewöhnen. Wo der Verkehr hier eh schon so chaotisch ist. Ich will mal recherchieren, ob die Zahl der chinesischen Verkehrstoten relativ gesehen höher ist als die deutsche, denn einen Unfall hab ich hier noch nicht gesehen.
Das einzige bis jetzt unbekannte Familienmitglied, das immer dabei ist, ist der Cousin des Vaters. Ist ja ein toller Familienbesuch ;-).
Eigentlich sind die Chinesen ja so ruhig weg, aber vermutlich wird das außer Kraft gesetzt, wenn Sehenswürdigkeiten in der Nähe sind. Nach dem Mittagessen waren wir auf dem Tiger Hill. Ein absolutes Muss, denn auf dem Schild davor steht schon, es wäre eine Schande, in Suzhou aber dann nicht dort gewesen zu sein.

Es ist auch durchaus eindrucksvoll. Die Anlage ist ein buddhistischer Tempel, wo beide Gebäude sich bergauf durch einen Wald ziehen. Die Vegetation ist zwar auch grün, aber trotzdem ganz anders als zu Hause und auch noch mal anders als in Shanghai. Das gehört nämlich zum mittleren Teil Chinas, während Suzhou schon in Südchina ist. Deswegen ist es hier auch wärmer. Hätte ich das mal vorher gewusst. Hier kommt die Sonne auch mehr durch, das wirkt in dem Tempelwald richtig idyllisch, bis man auf die Aussichtsplattform kommt und man in alle vier Himmelsrichtungen nur Stadt sieht.
In Suzhou sind schon weniger Westler, aber es gibt sie. Ich habe mich kurz mit einem Pärchen aus Münster unterhalten. Es macht mir echt Spaß, wildfremde Leute anzureden, aus purer Neugierde!
Der Tiger Hill hat übrigens so als krönende Spitze auch einen Tiger Tower, auf den man leider nicht drauf darf. Der Turm ist mindestens so schief wie der in Pisa. Von dort oben hätte man bestimmt einen super Ausblick.
Heute hab ich echt tolle Sachen gesehen, trotzdem hoffe ich, dass das Tagesprogramm so langsam durch ist, das war noch anstrengender als ein „normaler Schultag“. Ich hoffe, meine Eltern melden sich heute mal, ich hab Lust, mich zu unterhalten. Mit Citrus ist die Verständigung schwierig, deshalb bereden wir nur das Nötigste und ansonsten wird seit gestern Abend um mich herum konsequent nur Chinesisch gesprochen.
Die Oma hat dabei eine Lautstärke drauf, die geht mir echt auf die Nerven. Außerdem hab ich das Gefühl, dass die mich ständig anstarrt.
Heute Abend muss ich dringend duschen. Aber da ich nicht genug saubere Sachen mithabe für nach dem Duschen und morgen, warte ich damit bis nach dem Abendessen, dann kann ich gleich meinen Schlafanzug anziehen.
Hoffentlich ist das Abendessen im Hotel oder wenigstens nicht zu weit weg, ich bin schon wieder völlig geschafft.
Nach dem Tigerturm gab es tatsächlich eine längere Pause, von fünf bis halb acht. Eigentlich ne feine Sache, hätte ich nicht im Kopf schon wieder ausgerechnet, was für Möglichkeiten an schlechtem Zeitmanagement dabei rauskommen könnten. War natürlich unnötig. In einer Stunde hin und zurück, Chinesen bleiben ja im Restaurant nicht sitzen, das spart ganz schön Zeit.
Ich weiß nicht, ob es daran lag, dass ich so unlustig drauf war, oder, dass der erste Begeisterungsschub verflogen war, aber es gab wieder relativ viel Essen, das nicht nach meinem Geschmack war. Sechs Stunden nach dem Mittagsessen hatte ich zwar irgendwie immer noch nicht wieder Hunger, und trotzdem hab ich mit den essbaren Sachen gestopft. Als wenn es einen magisch anzieht!
Meine Stimmung ist aber gar nicht aufgefallen, weil Citrus Streit mit ihrer Mutter hatte, ich glaube, es hatte etwas damit zu tun, dass sie die ganze Zeit beim Essen in ihrem lustigen Taschenbuch gelesen hat, aber der Aufhänger kann natürlich auch etwas ganz anderes gewesen sein, denn mir sagt ja keiner was.
Was soll ich machen, wenn mein Sprachrohr weint? Allerdings hat die Oma heute zum aller ersten Mal etwas in meinen Augen Positives gemacht. Die hat nämlich versucht, Citrus zu trösten, was ich ehrlich gesagt überhaupt nicht erwartet hätte.
Ich wünsche mir einmal mehr, ordentlich Chinesisch zu können.
Heute Nachmittag hab ich mir vorgenommen, ich lerne das jetzt vernünftig und irgendwann bereise ich Südchina, ich will auf jeden Fall nach Sichuan. Die Vegetation hier gefällt mir. Jede Bananenstaude bringt mich wieder ganz aus dem Konzept.
Zum Thema Bananen möchte ich grade einschieben, dass die, die mir Citrus heute Morgen gegeben hat, meinen Ranzen nicht überlebt hat. Aber sie ist auch nicht ohne Kampf untergegangen, der Ranzen trocknet jetzt erst mal.
Ich spinne immer größere Reisepläne. Dabei freu ich mich tatsächlich, nach Hause zu kommen. Ich hab heute im Kopf schon eine Dinge-die-ich-nicht-vermissen-werde-Liste erstellt. Drauf waren auf jeden Fall: Die vielen Menschen und das Gedrängel, das viele Gelaufe, ständig Chinesisch hören und nichts verstehen, Verständigungsprobleme, die Zitronenoma.
So langsam reicht es einfach. Ich bin eh schon ein bisschen abgestumpft. Es kommen jeden Tag wieder 1000 neue Eindrücke, manchmal ist das nur noch wie Regen, der auf eine kalte Fensterscheibe prasselt.
Ich möchte nicht falsch verstanden werden, es ist toll hier. Aber ich bin so erschöpft…
Ich habe eben extra lange geduscht, damit ich den Streit nicht mithören muss. Jetzt bin ich erst mal wieder angenehmer drauf. Ich frage mich allerdings, warum meine Eltern mich nicht mal anrufen. Ich bin unterkommuniziert, das lässt mich sogar mit dem Gedanken spielen, einen aus meiner Gruppe anzurufen…
Aber jetzt ist es auch schon gleich 10. Wir müssen morgen zwar erst gegen neun raus, aber das haben sie gestern auch gesagt.
Die kleinen Taschen und die Bekleidung für alte Puppen, einfach nur schön.
Leider bin ich völlig untalentiert für solche Sachen😔
Liebe Grüße
Petra
Kleidung für Püppi. Von deinen Nähkünsten bin ich total begeistert und es ist so schön beschrieben, dass das Lesen echt Spaß macht. Liebe Grüße Brigitte
Sehr schön zu sehen wie viel Spaß (und Zeit) du zum Nähen hast!
Es gibt an der Nähmaschine einen speziellen Stich für dehnbare Stoffe. Mit dem dürfte der Faden nicht reißen!
Für große Köpfe gibt es spezielle Tricks - einfach mal nachschauen wie das bei den Shirts für Babys gemacht wird!
Liebe Grüße
Miriam
Always insightful. Good work. 😀
Es regnet, endlich Zeit, die Beiträge zu lesen und nicht nur wahrzunehmen. Macht Freude, das zu lesen und obwohl ich das Buch und die Videos nicht kenne, kann ich mir eine Menge vorstellen! Biene
Sehr schön geschrieben!
Liebe Grüße
Christina